Wie Mitarbeiter*innen im Finanzbereich die veränderte Arbeitswelt wahrnehmen
In einer Zeit, in der die Forderung nach neuen Arbeitsmodellen im Zuge von New Work groß ist und die Corona-Krise als Brandbeschleuniger agiert hat, ist Homeoffice gekommen. Und wird auch bleiben! Die Erklärung hierfür ist einfach: Diese Arbeitsform bietet für Mitarbeiter*innen aber auch Arbeitnehmer*innen viele Vorteile.
In einer breit angelegten Studie hat ein Team von Professor*innen und Forschungsmitarbeiter*innen des Fachhochschulstudiengangs Controlling, Rechnungswesen und Finanzmanagement der FH OÖ mehr als 700 Absolvent*innen aus verschiedenen Finanzberufen (Rechnungswesen, Controlling, Finanz- und Risikomanagement sowie Steuer- und Wirtschaftsberatung) kontaktiert. 261 Personen haben geantwortet und sind der Meinung, dass Homeoffice im Finanzbereich nicht mehr wegzudenken ist. Die Autor*innen sind FH-Prof. MMag. Dr. Susanne Leitner-Hanetseder, FH-Prof. Dr. Christoph Eisl, FH-Prof. Mag. Dr. Albert Mayr sowie Theresa Sophie Grünsteidl B.A.
97 % aller Befragten sprechen sich für das Arbeiten im Homeoffice aus. Als wesentlichste Gründe werden der Wegfall von Arbeitswegen, die Möglichkeit einer flexibleren Arbeitseinteilung und konzentrierteres Arbeiten durch den Wegfall von Störgeräuschen genannt. Ein Viertel der Befragten hat angegeben, betreuungspflichtige Kinder zu haben. 80 % dieser Gruppe sehen als wesentlichen Vorteil die bessere Vereinbarung von Arbeit und Betreuungspflichten.
Aussage eines*r Studienteilnehmer*in: „Homeoffice finde ich persönlich perfekt!!! Erst durch den aktuellen Lockdown habe ich damit begonnen. Davor war ich eher abgeneigt davon. (…) Ich arbeite viel produktiver, da mich zuhause nichts ablenkt. Ich kann mir meine Arbeitszeiten selbst einteilen und in der Mittagspause vor dem Essen super Sport machen. Ich genieße es in vollen Zügen. (…) Es mangelt an nichts. Wir haben auch jede Woche eine Teambesprechung, die ziemlich lustig ist – auch online.“
Auch wenn die Mitarbeiter*innen sehr gerne zuhause arbeiten, zeigt die Studie, dass damit auch Nachteile verbunden sind. Das größte Problem ist der fehlende soziale Kontakt. Den Homeworker*innen fehlen die persönlichen Gespräche mit Kolleg*innen, der gemeinsame Kaffee, die Gespräche beim Mittagessen – vieles, was ein Team am Arbeitsplatz zusammenschweißt, fällt im Homeoffice weg. Ein kleinerer Teil der Befragten hat das Gefühl, dass wichtige Informationen an ihnen vorbei gehen oder dass Entscheidungsprozesse komplizierter und zeitintensiver werden. Bemerkenswert ist, dass sich rund 20 % der Mitarbeiter*innen mit der Trennung zwischen Arbeit und Freizeit schwertun oder keinen passenden Arbeitsplatz zuhause haben.
Das optimale Homeoffice-Ausmaß ist zwei Tage pro Woche
Es zeigt sich klar, dass viel mehr für als gegen Homeoffice spricht. Auch bei der Frage, wie viele Tage zuhause gearbeitet werden sollen, sprach sich der Großteil für ein zukünftig noch höheres Ausmaß an Homeoffice aus. Im Schnitt verbringen die Befragten aktuell 34 % ihrer Arbeitszeit im Homeoffice. Gewünscht wäre eine Steigerung auf 41 %, was ca. zwei Tagen Homeoffice und drei Tagen Bürozeit entspricht. Damit könnte auch das vorher angesprochene Gefühl der fehlenden sozialen Kontakte abgefedert werden. Je nach Branche gibt es hierzu allerdings unterschiedliche Bedürfnisse: Im Bereich der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung wünschen sich die Mitarbeiter*innen deutlich weniger Homeoffice als Finanzmitarbeiter*innen der Sektoren Öffentlicher Dienst und Gesundheitswesen. Auffällig war auch, dass sich Frauen einen höheren Homeoffice-Anteil (44 %) wünschen als Männer (36 %).
Sehr viele Aufgaben im Finanzbereich lassen sich auch zuhause durchführen
Das Aufgabenspektrum von Finanzberufen ist sehr vielfältig und reicht von der Belegerfassung und -verbuchung über Budgetierungs- und Planungstätigkeiten bis hin zur Erstellung verschiedenster Berichte und Analysen. Aber auch allgemeinere Tätigkeiten wie die Vorbereitung von Präsentationen und Workshops, Projektorganisation und Recherchetätigkeiten finden sich in den jeweiligen Tätigkeitsbereichen wieder. Die Studie hat ergeben, dass ein Großteil der Aufgaben auch im Homeoffice gut ausgeführt werden können. Sogar die Aus- und Weiterbildung von zuhause z.B. über Webinare wurden von den Studienteilnehmer*innen gut angenommen. Einzig Mitarbeiter*innen- und Feedbackgespräche sowie Einstellungsgespräche erfordern unmittelbaren persönlichen empathischen Kontakt. Diese Aufgaben sollten daher wohl auch in Zukunft weiterhin in Präsenz durchgeführt werden.
Was können Arbeitgeber*innen tun, damit Homeoffice gut funktioniert?
Die Befragung hat klar hervorgehoben, dass Homeoffice ein hohes Maß an Führungsqualität verlangt. 83 % der Befragten erwarten, dass klare Regeln in Bezug auf Ziele und Erwartungen definiert und kommuniziert werden. Außerdem sollen Kernarbeitszeiten festgelegt werden, damit klar ist, wann man erreichbar sein muss. Wenn Homeoffice funktionieren soll, müssen sich Unternehmen, die bisher eine stark ausgeprägte Präsenzkultur gehabt haben, wohl oder übel umstellen. Die Mitarbeiter*innen haben den Anspruch, dass ihnen bei der Arbeit zuhause Vertrauen entgegengebracht und ihnen auch außerhalb der Kernzeiten eine flexible Arbeitszeitgestaltung ermöglicht wird. Interessant war in diesem Zusammenhang auch, dass 96 % der befragten Mitarbeiter*innen im Finanzbereich der Meinung sind, dass sie selbst am besten entscheiden können, welche Aufgaben im Büro oder zuhause erledigt werden können.
Aussage eines*r Studienteilnehmer*in: „Vertrauen von dem Unternehmen ist sehr wichtig! KPU - kontinuierliche positive Unterstellung: Man sollte immer davon ausgehen, dass jede*r mit bestem Wissen und Gewissen handelt.“
Von Führungskräften erwarten sich die Mitarbeiter*innen im Finanzbereich, dass sie auch dafür Sorge tragen, dass die Teamkultur trotz Homeoffice nicht verloren geht. 65 % fühlen sich nämlich ihrem Team seit dem vermehrten Homeoffice weniger zugehörig, außerdem meinen 46 %, dass die Verbundenheit zum Unternehmen gesunken sei.
Erstaunlicherweise wurde die Frage, ob eine Anpassung der IT-Infrastruktur notwendig sei, als nicht besonders wichtig angesehen, was darauf schließen lässt, dass hier bereits eine gute Versorgung existiert.
Die Kommunikation mit externen und internen Personengruppen funktioniert trotz Homeoffice erstaunlich gut. Aus täglichen Face-to-Face-Gesprächen mit Kund*innen werden regelmäßige Videocalls, aus Gruppenbesprechungen in engen Büroräumen werden virtuelle Meetings – nur wenige Bereiche haben sich aufgrund von Homeoffice in kurzer Zeit so sehr verändert wie die Kommunikation. Die formale Kommunikation z.B. mit Kund*innen, Behörden oder Steuer- und Wirtschaftsprüfer*innen funktioniert von zuhause recht gut. Probleme entstehen eher durch die Reduktion der informellen Kommunikation, wie z.B. Gespräche beim Mittagessen oder der zwanglose Ideenaustausch beim Kaffee. Hier wird man sich in Zukunft mehr einfallen lassen müssen, insbesondere auch deshalb, weil doch beinahe die Hälfte der Befragten gemeint hat, dass sich die Kommunikationsqualität mit den Kolleg*innen verschlechtert hat. Erstaunlicherweise wurde diese Verschlechterung bei der Kommunikation mit den Vorgesetzt*innen deutlich geringer wahrgenommen.
Die technische Ausstattung ist im Homeoffice nicht der Engpass!
In der Vergangenheit und vor Corona war man häufig der Meinung, dass es an technischer Ausstattung für einen virtuellen Arbeitsplatz mangle. Dies hat sich bei den Finanzberufen nicht bestätigt. Sowohl im Bereich der Hard- und Software als auch bei der Büroausstattung ist ein relativ guter Standard vorhanden. Firmenlaptop, ein zusätzlicher Bildschirm, Headset, schnelle Internetverbindung und Mobiltelefon sind größtenteils vorhanden. Aber auch die Softwareausstattung, um digital kommunizieren und auf Firmendaten zugreifen zu können (Zugang zu ERP-Systemen, Planungstools bzw. Reportingsysteme), existieren in ausreichendem Ausmaß. Verbesserungsmöglichkeiten ergeben sich am ehesten im Bereich der ergonomischen Büroausstattung für zuhause, fehlenden Hardwareelementen wie z.B. ein zweiter großer Bildschirm, Docking Station und Drucker mit Scanfunktion.
Die Mitarbeiter*innen im Homeoffice fühlen sich auch von der IT-Abteilung in den Unternehmen recht gut serviciert. Insgesamt betrachtet sind die Mitarbeiter*innen mit ihrer technischen Ausstattung sehr (30 %) bzw. eher (47 %) zufrieden. Als unzufrieden haben sich vor allem jene geäußert, die kein Equipment erhalten haben oder es selbst anschaffen und bezahlen mussten.
Zusammengefasst zeigt die Studie, dass sich Mitarbeiter*innen im Finanzbereich deutlich für Homeoffice aussprechen. Insbesondere der Wunsch nach einem durchschnittlichen Homeoffice-Anteil von 41 % unterstreicht das. Langfristig gesehen bringt Homeoffice neben sehr vielen Chancen auch einige Herausforderungen mit sich. Nichtsdestotrotz ist eines schon jetzt gewiss: Homeoffice bewegt die Menschen und wird deshalb die Arbeitswelt auch dauerhaft verändern!
Zusammenfassende Aussage: „Die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, ist mittlerweile ein primäres Auswahlkriterium, flexible Arbeitsmodelle ermöglichen Vorteile in der Rekrutierung von dringend benötigten Mitarbeiter*innen.“
Zusammenfassende Aussage: „Homeoffice leistet auch einen Beitrag zur Gleichstellung von Personen mit Betreuungspflichten sowie zum Umweltschutz.“
Zusammenfassende Aussage: „Nicht jeder kann im Homeoffice arbeiten, Konzepte wie Coworking Space, Remote Office, Desk-Sharing sind genauso relevant wie Homeoffice-Konzepte.“