Sozial- und Gesundheitsminister Rauch stellte sich Diskussion am Campus Linz
Sozial- und Gesundheitsminister DSA Johannes Rauch stellte sich am Nachmittag des 24. April einer Diskussion mit Studierenden und FH-Mitarbeiter*innen der Departments Gesundheits-, Sozial- und Public Management (GSP) und Soziale Arbeit (SO) sowie des Centers of Lifelong Learning (COL3).
Rauch, dessen Berufsweg zunächst im Bankensektor begonnen hatte, absolvierte selbst ein Studium zum Sozialarbeiter, welches er 1987 abschloss. Er sei, so der Minister, auch "bis heute ein Sozialarbeiter geblieben". Nicht zuletzt daher rührte sein klares Bekenntnis zu dieser Profession und die Annahme, man werde künftig deutlich mehr qualifizierte Sozialarbeiter*innen brauchen, weil auch multiple Krisen einander überlagern und auf die Lebenswirklichkeit der Menschen durchschlagen würden.
Dazu würden sich die medizinische und die soziale Komponente etwa im Rahmen der im Ausbau befindlichen Primärversorgungszentren verstärkt integrieren, wodurch Sozialarbeiter*innen auch dort ergänzend zu den medizinischen Berufen gefragt sind.
Begleitet wurde der aus Vorarlberg stammende Politiker von Oberösterreichs Soziallandesrat Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer, der den steigenden Bedarf an "Profis" in der Sozialen Arbeit auch damit begründete, dass das sich die Bereitschaft zum Ehrenamt leider rückläufig entwickle.
Welche Spielräume haben Minister*innen?
Auf die Frage einer Studierenden, wie groß denn der Spielraum von BM Rauch gegenüber der Ministerialbürokratie, den Parteien und Lobbys wäre, antwortete dieser, dass er oft "zehn Prozent Zuständigkeit, aber hundert Prozent Verantwortung " habe. Das liege an der Kompetenzverteilung innerhalb der Bundesebene, aber auch am Zusammenspiel zwischen den Ebenenen EU, Bund, Ländern und Kommunen.
Selber tätig werden könne er aktuell etwa bei der Valorisierung von Familienleistungen oder beim "Wohnschirm", einem Fonds zum Schutz vor Delogierungen.
Johannes Rauch berichtete in diesem Zusammenhang auch von einem Treffen der EU-Sozialminister in Brüssel, wonach dieser Kreis durchaus voll im Bewusstsein dessen sei, dass die Finanzierungsprobleme des täglichen Lebens nun auch den Mittelstand erreicht haben. Der Zustand des Sozialstaates in Europa habe daher auch unmittelbar mit dem Zustand der Demokratie zu tun, wenn die ökonomisch mittleren und unteren Schichten mehr und mehr in Schieflage geraten.
Es ist alles sehr kompliziert
Ein Statement einer Studierenden zur Versorgung - oder auch Unterversorgung - von Diabetiker*innen führte zu der Debatte, wie flexibel das Gesundheitssystem auch zwischen den Berufsgruppen ist. Abgesehen davon, dass das System laut Minister Rauch nur "gesund" oder "krank" und immer noch zu wenig Prävention kenne, sei auch der umfassende Ärztevorbehalt bei gewissen Tätigkeiten an den Patient*innen zu hinterfragen. Hier hakte auch LR Hattmansdorfer ein, der oft keine fachlichen, sondern gesetzliche und abrechnungstechnische Hürden als Grund dafür ortet, warum etwa Pflegepersonal bestimmte Dinge für die es eigentlich qualifiziert ist, nicht tatsächlich auch machen darf.
Mehr Studienplätze für die Soziale Arbeit?
"Herr Minister, sie sagten wir brauchen mehr Sozialarbeiter*innen - warum müssen die Fachhochschulen dann so viele Bewerber*innen für einen Studienplatz absagen?"
Johannes Rauch unterstrich in seiner Antwort sein Eingangsstatement, verwies aber hinsichtlich der Finanzierung von einschlägigen Studienplätzen auf das Bildungsministerium. Ein Mangel an qualifizierte Personal herrsche darüber hinaus quer durch den gesamten Sozial- und Gesundheitssektor und auf allen Ebenen. So gehe es auch um verbesserte Arbeitsbedingungen und eine "Zusammenarbeit der einzelnen Berufsgruppen auf Augenhöhe". Als Vorbild dafür bezeichnet er Israel.
Es sei aber auch das Selbstbewusstsein etwa der Sozialarbeiter*innen gefragt, um eine Kulturveränderung herbei zu führen. Diese sei nur gerecht, denn "die Sozialarbeiter*innen sind genau so gut wie die Primarärzt*innen".
Qualitätsvolle Ernährung in Zeiten der Teuerung sichern
Sieht der Bundesminister einen Auftrag an die Politik, zur Qualität der Lebensmittelversorgung für die Bürger*innen in einer Phase hoher Inflation beizutragen?
Bei den Wohnkosten inklusive dem Heizen helfe der Staat bereits, so Rauch, bei den Lebensmitteln sei das tatsächlich (noch) nicht der Fall. Er zitierte eine aktuelle Studie, wonach die Preise in Österreich um 13 bis 14 Prozent über denen im grenznahen Deutschland liegen - bei ansonsten ähnlichen Voraussetzungen. Man könne also vermuten, dass die oligopole Situation im österreichischen Lebensmittelhandel und die damit verbundene Marktmacht einzelner Konzerne hier eine Rolle bei den überschießenden Preissteigerungen spielen. Das Preisgesetz würde dem Wirtschaftsminister hier einen Hebel in die Hand geben.
Die EU-Gesundheitsminister seien sich laut Minister Rauch auch einig, Maßnahmen zur Eindämmung der Medikamentenpreise zu ergreifen. So soll ein Regelwerk etwa die Pharmaindustrie verpflichten. die Preisgestaltung bei einzelnen Medikamenten offen zu legen. Eine Gewinnspanne von achtzig Prozent bei einzelnen Produkten wäre so schwer aufrecht zu erhalten. Um nicht teure medikamentöse Behandlungen "wie in Belgien bei einer Lotterie zu verlosen", brauche es ein geeintes Auftreten der europäischen Gesundheitspolitik(er*innen), um der Marktmacht der Pharmakonzerne wirksam entgegen treten zu können.
Long Covid - mehr Forschung, bessere Versorgung?
Die Covid-19 Pandemie hat die Welt schwer getroffen und neben vielen Todesopfern auch eine noch größere Zahl an Patient*innen gebracht, die an den Folgen einer Infektion mit dem Virus langfristig oder dauerhaft leiden. Die Fragen eines Studierenden an Minister Rauch lauteten daher: "Wird es mehr Forschung im Bereich Long Covid geben? Kommt es zu einer strukturierteren Versorgung von Long Covid-Patient*innen?"
Die Antwort des Sozial- und Gesundheitspolitikers war ein klares JA. Gerade erst zwei Wochen zurvor habe der Gesundheitsausschuss des Nationalrates mehr Mittel für die Forschung in diesem Bereich beschlossen, außerdem werde es für die Betroffenen klare Ansprechpartner*innen und für die Ärzt*innen Hilfe bei der Erstellung der Diagnose geben, auch durch virtuelle Ressourcen.
Nachdem eine Studierende via Internet den Geburtstag von Johannes Rauch "enttarnt" hatte, verabschiedete sich der Sozialarbeiter und Minister nach exakt einer Stunde, ausgerüstet mit den besten Wünschen für das neue Lebensjahr, vom Campus Linz der FH Oberösterreich.