FinTech oder Filialbank? Risiko, Rendite oder Nachhaltigkeit? Ergebnisse einer europaweiten Umfrage zu den Finanzgeschäften studierender Digital Natives
(623 Studierende aus 26 europäischen Ländern haben an der Studie teilgenommen)
Das traditionelle Filialbanksystem bekommt zunehmend Konkurrenz von Financial Technology Companies. Fin-Techs richten sich mit innovativen digitalen Lösungen für Zahlungsabwicklung, Veranlagungen, Finanzierungen und zahlreichen weiteren Angeboten in erster Linie an die Generation der Digital Natives. Innerhalb dieser Gruppe nehmen Studierende eine besondere Stellung ein: Sie gelten als „early adopters“ und Meinungsbildner und stehen als künftig besonders einkommensstark erwartete Zielgruppe im Fokus vieler Anbieter. Eine Umfrage unter 623 Studierenden aus 26 Ländern Europas zeigt, dass bereits 60 % ein Konto bei einer „reinen“ Onlinebank haben, 83 % Apps von FinTechs nutzen und die digitale Transformation voll im Gange ist. Darüber hinaus gewährt die Studie Einblicke in das Anlageverhalten der Studierenden, den Trade-Off zwischen Rendite, Risiko & Nachhaltigkeit und die Adaption neuerer Assetklassen, wobei deutliche Genderunterschiede zum Vorschein treten. Die Studie liefert wertvolle Erkenntnisse für traditionelle Banken in Hinblick auf ihre weitere strategische Ausrichtung und ruft allgemein zu verstärkter Finanzbildung und im Speziellen zu einem Empowerment weiblicher Studierender auf.
Studienautor Christoph Eisl findet besonders bemerkenswert die geschlechterspezfischen Unterschiede: „Obwohl mit der Studie von Beginn an nicht unmittelbar intendiert, möchte ich auf die identifizierten Genderunterschiede hinweisen. Die weiblichen Studienteilnehmerinnen unterschieden sich in vielerlei Hinsicht von ihren männlichen Kollegen. Dies beginnt beim generellen Interesse an Finanzen und der Einschätzung ihrer Finanzkompetenz und reicht über das Anlageverhalten bis zur Beurteilung ihrer Zukunftsaussichten. Diese Unterschiede gilt es wahrzunehmen und auf hochschulischer, politischer und unternehmerischer Ebene zu berücksichtigen. Als Fortführung der Studie ist eine Ausweitung des regionalen Horizonts geplant, und zwar insbesondere der Vergleich Europas mit den Kontinenten Asien und Amerika“, so einer der drei Studienautoren.
(Detailergebnisse dazu auf Seite 11 und 12).
Mehr als die Hälfte nutzen Konto bei „reiner“ Online-Bank
Die durchgeführte Studie bringt zum Ausdruck, dass die traditionelle Hausbank, respektive Filialbank, kein „One-Stop-Shop“ mehr in Bezug auf die Finanzgeschäfte der Studierenden ist. Rund 60 % der Studierenden nutzen bereits ein Konto einer „reinen“ Onlinebank und 83 % zumindest eine App eines FinTech-Unternehmens, was den zunehmenden Wettbewerb zum Ausdruck bringt. In Bezug auf die verwendeten Apps sehen die Studierenden Sicherheitsfunktionen und Datenschutz, Vertrauen in den Anbieter und Einfachheit der Nutzung als besonders wichtig an. Im Verhältnis dazu spielen die Personalisierbarkeit und das Design den Ergebnissen der Studie zu Folge nur eine etwas geringere Rolle. Die Digitalisierung wird künftig noch weiter an Bedeutung gewinnen und auch für traditionelle Hausbanken immer wichtiger, um kundenorientierte Leistungen anzubieten. Um aktiv darauf zu reagieren, sind Investitionen in digitale Lösungen nötig bzw. können auch Kooperationen mit FinTechs eingegangen werden (Allen et al., 2020; Drummer et al., 2016).
Jeder Vierte hat bereits in Kryptowährungen investiert
Studierende wählen bei ihren Anlageentscheidungen bereits aus einem breiten Anlagespektrum – mit deutlichem Überhang von passiven Indexfonds im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds – und wollen dies auch in Zukunft tun. Dies könnte eine Herausforderung für traditionelle Banken darstellen, weil dieser Trend die Ertragskraft in diesem Geschäftsbereich erodieren könnte. Fast ein Viertel aller befragten Studierenden hat bereits in Kryptowährungen investiert, während Non-fungible-Token (NFTs) noch kaum Bedeutung haben. Kryptowährungen werden derzeit vor allem über eigene Kryptobörsen (z.B. Coinbase, Binance, FTX) gehandelt. Man benötigt dazu einen eigenen Account und zur Absicherung ggfs. eine sog. Cold Wallet, um die gehaltenen Kryptowährungen offline zu speichern. In diesem Feld könnten sich neue Geschäftsmöglichkeiten für Banken ergeben, wenn sie ihren Kunden einen einfacheren Zugang zu dieser spekulativen Anlageklasse ermöglichen würden.
Sehr viele Studierende informieren sich bei Finanzentscheidungen bei Familienmitgliedern, Freund*innen oder über soziale Medien. Eine verstärkte Präsenz der Banken in den sozialen Medien bzw. auf Videoplattformen (z.B. Youtube) könnte dazu beitragen, die eigene Reichweite auszudehnen und den Bekanntheitsgrad bei den Digital Natives zu erhöhen.
Mehr Finanzausbildung in allen Bildungsstufen aktuell besonders wichtig
Klassische Bankberater*innen werden bei finanziellen Entscheidungen nur von 28 % der Befragten zu Rate gezogen, und zwar primär dann, wenn es um „große“ Entscheidungen, wie die Finanzierung einer Immobilie geht. Dieser Prozentsatz ist sicherlich ausbaufähig, gerade weil viele Studierende sich bei finanziellen Entscheidungen ohnehin unsicher fühlen. Um dieser Unsicherheit zu begegnen, scheint verstärkte Finanzbildung ein Gebot der Stunde. Die Umfrage zeigt, dass Wirtschaftsstudierenden im Verhältnis zu Studierenden anderer Studienrichtungen Finanzentscheidungen etwas leichter fallen und sie auch stärker am Kapitalmarkt aktiv sind. Dazu dürfte die Finanzbildung im Rahmen des Studiums einen gewissen Beitrag leisten. Die Integration von Finanzbildung in das Bildungswesen in allen Bildungsstufen scheint mehr denn je gefragt zu sein. Gerade in Zeiten hoher Inflationsraten und niedriger Zinsen ist es allein mit dem Sparbuch nicht getan, will man für die Zukunft oder die Pension vorsorgen. Bei der Gestaltung von Angeboten vonseiten der Banken und FinTechs sollten jedenfalls Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden.
Die Studienautoren sind:
FH-Prof. Mag. Dr. Christoph Eisl FH Oberösterreich, Institut für Controlling, Rechnungswesen und Finanzmanagement, 4400 Steyr, E-Mail: christoph.eisl@fh-steyr.at Malina Schnallinger, MA FH Oberösterreich, Institut für Controlling, Rechnungswesen und Finanzmanagement, 4400 Steyr, E-Mail: malina.schnallinger@students.fh-steyr.at FH-Prof. MMag. Dr. Susanne Leitner-Hanetseder FH Oberösterreich, Institut für Controlling, Rechnungswesen und Finanzmanagement, 4400 Steyr, E-Mail: susanne.leitner@fh-steyr.at