Vielen Dank an Shoura Hashemi-Zehetner für den Einblick in ein Land, in dem der weiblichen Hälfte der Bevölkerung jegliches Recht abgesprochen wird. Ein Land mit über 40 Millionen Einwohner*innen, das sich nach Jahrzehnten als Kriegsschauplatz fest in der Hand der Taliban befindet, die Frauen nicht nur Bildung und Gesundheitsversorgung, Arbeitsmöglichkeiten und politisches Engagement, sondern auch Gesang und „lautes Sprechen“ verweigern und sie stattdessen in Ganzkörperschleier zwingen. Es lässt sich nur erahnen, wie die früheren Richterinnen und Universitätsprofessorinnen, (weiblichen) Regierungsmitglieder und Lehrerinnen, Ärztinnen und Hebammen jetzt ihren Lebensunterhalt verdienen, während die gesundheitliche Basisversorgung bereits seit einiger Zeit nur mehr durch internationale Hilfsprogramme wie Ärzte ohne Grenzen aufrechterhalten wird. Welch katastrophale Auswirkungen ein Ausbildungs- und Berufsverbot für weibliche Ärztinnen und Hebammen in einem Land hat, in dem Frauen nur von weiblichen Ärztinnen untersucht und behandelt werden dürfen, hat auch die Teilnehmenden am Diversity Talk sehr beschäftigt. Neben der Missachtung jeglicher Menschenrechte erstaunt zusätzlich die Kurzsichtigkeit solcher erlassenen Dekrete durch die Taliban-Regierung. Ob hier die derzeitige internationale Annäherung der Staaten, an deren Ende womöglich eine öffentliche Anerkennung des Taliban-Regimes steht, helfen kann, steht in den Sternen. Ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass europäische ebenso wie asiatische Staaten eine zwanghafte Rückkehr von Menschen, die diesem Regime gerade erst entkommen sind, vorantreiben? Oder ist an den Versprechen der Taliban wirklich etwas dran, dass sie nach einer Anerkennung die Rechte der Frauen und Mädchen wieder ausweiten wollen?
Unabhängig von den internationalen Ränkespielen und Mutmaßungen sind es wie immer tagtäglich die Menschen vor Ort, die sich tapfer gegen die Einschränkungen auflehnen. Trotz der durchaus ernst zu nehmenden Bedrohung von körperlichen Strafen bis hin zur Todesstrafe bei „Fehlverhalten“ versuchen frühere Lehrerinnen und Professorinnen in illegalen online-Untergrundschulen den Mädchen zumindest ein Mindestmaß an Bildung zukommen zu lassen. Ein weiterer kleiner Lichtblick zumindest für jene, die, da legale Fluchtrouten fehlen, die lebensgefährliche Reise bis nach Europa geschafft haben, ist die Erkenntnis des EuGH, dass für Frauen aus Afghanistan alleine der Umstand, dass sie weiblich sind, als Asylgrund reicht. Der Tatsache, dass ihnen alleine aufgrund ihres Geschlechts in Afghanistan Grundrechte vorenthalten werden, wird damit Rechnung getragen.
Auch wenn die Lage in einem Land, in dem mehr als die Hälfte der Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen ist, nicht gerade ermutigend ist, so der Appell von Shoura Hashemi-Zehetner, dürfen wir die Menschen in Afghanistan nicht aufgeben. Bescheid zu wissen, sich zu informieren und darüber zu reden ist schon ein Beginn – und Organisationen wie Anmesty International unterstützen zum Beispiel auch wenigen noch verbliebenen Frauen-Organisationen, die zum Beispiel Bildungsangebote für Mädchen möglich machen. Die Afghaninnen sind bereit, ihren Teil der Verantwortung wieder zu tragen. Wird es ihnen möglich sein?
Nächster Diversity Talk am 27.11.2025 von 11:30 bis 12:30 Uhr: Hasspostings, Fake News und das „Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz