Melanie Juppe und Andrea Reindl im Gespräch mit Lisa-Maria Putz-Egger:
Melanie Juppe vom Logistikum und Andrea Reindl vom Logistikum TLOG im Gespräch mit Lisa-Maria Putz-Egger Team Sustainable Transport:
Liebe Melanie und liebe Andrea, danke dass ihr euch Zeit genommen habt. Stellt euch bitte unseren Leser*innen kurz vor.
Melanie: Ich bin seit über 5 Jahren an der FH OÖ als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team Transportlogistik und Mobilität tätig, hauptsächlich arbeite ich für das Projekt Mobilitätslabor OÖ. Dabei liegt mein besonderer Schwerpunkt auf nachhaltiger Mobilität im Personenverkehr. Wir beschäftigen uns hier mit unterschiedlichsten Aspekten der personenbezogenen Mobilität, auch mit Themen, die sehr futuristisch anmuten wie AI.
Andrea: Seit mittlerweile zweieinhalb Jahren bin ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team Transportlogistik und Mobilität an der FH OÖ tätig. Wir beschäftigen uns mit Projekten im Bereich nachhaltige Mobilität. Zuletzt habe ich unter anderem an Fragestellungen zum Carsharing im Wohnbau oder der Nutzungsakzeptanz von kooperativen intelligenten Verkehrssystemen (C-ITS) gearbeitet.
An welchem Projekt arbeitet ihr momentan?
Aktuell arbeiten wir am Projekt C-ITS Impact Assessment (CIIA2023), das von der ASFINAG finanziert wird. C-ITS (Cooperative Intelligent Transport Systems) ist ein Begriff für Systeme zum Austausch von Information zwischen Fahrzeugen und der Straßeninfrastruktur. In diesem Projekt soll beantwortet werden, welchen Einfluss C-ITS Services auf unser Verkehrssystem haben. Um die Wirksamkeit solcher Technologien abzuschätzen ist es notwendig, eine Folgenabschätzung (Impact Assessment) der C-ITS Technologie und ihrer Anwendungen zu machen. Dies beinhaltet die Bewertung der möglichen Auswirkungen von C-ITS und der mit C-ITS ausgestatteten Fahrzeugflotte (aktuell rund 1,5 Millionen Fahrzeuge in Europa) und Infrastruktur auf das allgemeine Verkehrsmanagement, die Verkehrssicherheit und Umwelt.
Wie wird der Einfluss dieser Technologien auf den Verkehr abgeschätzt oder überprüft, bevor es zu einer flächendeckenden Anwendung kommt?
Im Rahmen des Projekts wurden umfangreiche Testfahrten mit Eyetracking-Brillen durchgeführt, um die Auswirkungen von C-ITS auf die Fahrdynamik, die Aufmerksamkeit, die Reaktionsfreudigkeit und das Sicherheitsverhalten von Fahrer*innen zu untersuchen. Die Eyetracking-Technologie ermöglicht eine präzise Erfassung des Blickverhaltens und der Fokuspunkte der Testpersonen während ihrer Interaktion mit C-ITS-Anwendungen in realen Verkehrsumgebungen.
Während der Testfahrten auf einem Testabschnitt der Autobahn wurden verschiedene Szenarien erprobt, darunter Hinweise auf (fiktive) Gefahrenhindernisse [AR1] auf der Fahrbahn mit Hinweis auf Reduktion der Geschwindigkeit oder Stauwarnungen. Ziel war es, zu analysieren, wie gut die Informationen der C-ITS-Systeme wahrgenommen, verstanden und umgesetzt werden. Zusätzlich wurde untersucht, ob die neuen Technologien mögliche Ablenkungen verursachen oder ob sie sogar verstärkte Aufmerksamkeit auf relevante Verkehrsinformationen lenken können.
Die Eye-Tracking Brillen liefern wertvolle Erkenntnisse darüber, wie lange die Reaktionszeit vom Erscheinen der Information bis zum Erkennen durch die Lenker*innen ist, wie oft und wie lange die Testperson auf die Information blickt.
Worin seht ihr die größten Herausforderungen?
Regulierungen und rechtliche Aspekte fallen nicht in unseren Aufgabenbereich, sind aber ein wesentlicher Puzzlestein für eine Anwendung in Österreich. Die verschiedenen Stakeholder (Fahrzeugindustrie, Verkehrsinfrastruktur und auch die Telekomindustrie) haben ein gemeinsames technisches Verständnis entwickelt, nicht aber ein kommerzielles Zielbild und unterschiedliche Interessensgruppen.
Die Systeme müssen in der Lage sein, zuverlässig mit unterschiedlichen Fahrzeugen und Infrastrukturen zu kommunizieren. Bei Haftungsfragen oder Datenschutzaspekten werden Nutzer*innen schnell hellhörig und wollen sich absichern, was auch nachvollziehbar ist. Die Akzeptanz von Nutzer*innen gegenüber solchen Systemen ist weiters ein wichtiger Punkt. Nutzer*innen müssen erst Vertrauen aufbauen, was im Bereich der Sicherheit eine Herausforderung darstellt. Weiters sollen die Systeme einfach und intuitiv anwendbar sein, um Nutzer*innen zu überzeugen.
Was braucht es, um innovative und verantwortungsbewusste Antworten auf die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu geben?
Zum einen braucht es weiter angewandte Forschung und ein hohes Maß an Aufklärung und Sensibilisierung in allen Bereichen. Gerade C-ITS zeigt aber auch, dass ehemals getrennte Industriezweige mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen zusammenarbeiten müssen. Hier braucht es eine Überwindung oder zumindest die Veränderung von bestehenden Prozessen und Geschäftsmodellen.
Wenn ihr in die Zukunft schaut, welche positiven Dinge könnten auf uns zukommen?
Die Zukunft von C-IST birgt großes Potenzial, um Verkehrssicherheit, Effizienz und Nachhaltigkeit entscheidend zu verbessern. Mit der fortschreitenden Überwindung der aktuellen Herausforderungen werden bspw. eine erhöhte Verkehrssicherheit, effizientere Verkehrsflüsse und verbesserte Nutzer*innenerfahrungen international auf die Straße kommen.
Danke für das spannende Gespräch und alles Gute für deine weitere Arbeit!