Im Gespräch mit Mag.a Iwona Hunstorfer - Leiterin International Office
FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hubert Egger interviewt eine der Vorreiterinnen für Internationalisierung an der FH Oberösterreich: Mag.a Iwona Hunstorfer zeichnet sich durch ein kraftvolles Zusammenspiel aus Leidenschaft und Fachkenntnissen für Sprachen, Hochschulen und Kulturen im Ausland aus. Hunstorfer gestaltet nicht nur eine vielfältige, sondern auch lebendige globale Gemeinschaft und prägt die erfolgreiche Entwicklung von Auslandsprogrammen sowohl für Studierende als auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FH OÖ bereits seit rund 15 Jahren.
Die FH Oberösterreich bietet eine Vielzahl von Programmen für Auslandsreisen an und fördert damit die internationale Mobilität. Was ist heute nahezu selbstverständlich, was vor Jahren noch eher eine Seltenheit war?
Heutzutage sammeln deutlich mehr Studierende internationale Erfahrungen während ihres Studiums, als das früher der Fall war. Erst kürzlich erhielt ich wieder eine Anfrage von einer Bewerberin für den Studiengang Soziale Arbeit. Sie wollte bereits vor der finalen Bewerbung wissen, ob und wo sie während ihres Studiums ein Auslandssemester absolvieren könnte. Das Interesse an Auslandserfahrungen im Studium wächst stetig und unser vielfältiges Angebot im internationalen Bereich ist mitunter ein Grund, sich für die FH OÖ zu entscheiden. Internationale Erfahrungen wirken sich im Lebenslauf positiv aus und können die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
Das International Office unterstützt seit vielen Jahren schon bei derartigen Anliegen. Wie hat es eigentlich begonnen?
Das International Office am Campus Linz hat eigentlich seine Ursprünge im Jahr 2008, obwohl zu dieser Zeit die Abteilung als solche noch nicht existierte. Alles begann recht unscheinbar. Eine damalige Dozentin im Fach Englisch bearbeitete nebenbei internationale Angelegenheiten. Ich selbst wurde vorerst als Assistentin eingestellt, das war der Beginn des International Office. Es gab damals keine Zweifel für mich: Die internationale Ausrichtung meiner beruflichen Tätigkeit bildet einen zentralen Bestandteil meiner Interessen. Aus diesem Grund übernahm ich die Leitung des International Office, nachdem meine Vorgängerin in Pension gegangen ist. Derzeit sind wir ein 2er-Team, mit meiner Assistentin Brigitte Brandstätter, die ich als Kollegin und Menschen sehr schätze und nicht missen möchte.
Du hast ebenfalls einen internationalen Background. Woher kommst du und wie bist du zur FH OÖ gekommen?
Meine Wurzeln liegen in Polen, wo ich die ersten zehn Jahre meines Lebens verbracht habe. Meine Familie flüchtete vor dem Kommunismus nach Österreich. Hier lernte ich zunächst Deutsch und Englisch – eigentlich vorerst vorwiegend Englisch, weil meine Familie ursprünglich vorhatte, in die USA auszuwandern. Diese Idee verwarfen meine Eltern später aber, worüber ich rückblickend sehr froh bin. Später erweiterte ich in der Handelsakademie mein Sprachrepertoire um Französisch und lerne derzeit ein wenig Italienisch. Obwohl mein Französisch etwas eingerostet ist, komme ich gut damit zurecht. Mein Interesse an Sprachen und Kulturen begleitet mich seit Langem. Während meines Wirtschaftspädagogikstudiums sammelte ich Auslandserfahrungen in Taiwan und China, die mich stark prägten. Meine berufliche Ausrichtung in Österreich ist stark von meinem Interesse an unterschiedlichen Ländern, Kulturen und Sprachen geprägt, auch aufgrund meiner polnischen Herkunft.
Kannst du mehr über die Programme erzählen, welche das International Office anbietet.
Das Angebot ist sehr vielfältig. Angefangen von Auslandssemestern und -praktika für Studierende oder der Möglichkeit zur Gastlehre und Fortbildungsmöglichkeiten für Personal. Bei unseren Studierenden wird die Teilnahme an geförderten Kurzzeitprogrammen (sog. Short-Term-Mobilities) immer beliebter.
Zusätzlich organisieren wir am Campus Linz jedes Jahr die 'International Days in Social Work'. Dieses Event erstreckt sich über zwei Wochen und ähnelt einer Summer School. Seit 2009 hat es sich stark entwickelt und zieht fast jedes Jahr rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Wir laden Partnerhochschulen ein, uns Studierende und Lehrende zu schicken, die an Gastvorträgen und Workshops aktiv teilnehmen und Einrichtungen besuchen, die sich mit Themen wie Menschenrechte und Migration, Jugendwohlfahrt oder Drogenabhängigkeit befassen.
Wir organisieren auch die 'Winterschool in Medical Engineering', die jedes Jahr im Februar stattfindet. Diese Veranstaltung ist kleiner und bietet den internationalen Studierenden der Partnerhochschulen die Möglichkeit, in unseren Laboren zu arbeiten. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, normalerweise auf etwa 13 Studierende, um sicherzustellen, dass die technische Infrastruktur ausreicht. Die Winterschool findet seit mehreren Jahren statt und erhält immer viele Bewerbungen. Bei der letzten Veranstaltung nahmen Studierende aus Mexiko, Großbritannien sowie aus Polen, Belgien, Deutschland und Österreich teil.
Ein weiteres Format im Bereich Sozialarbeit ist die 'International University Week', vor allem im Bachelorprogramm verankert. Wir sind Teil des SocNet98-Netzwerks, das 1998 gegründet wurde und aus 16 europäischen Partnerhochschulen besteht. Diese organisieren gemeinsam abwechselnd an 3 bis 4 Destinationen pro Jahr eine University Week. Die anderen Partnerhochschulen schicken ihrerseits Studierende und Lehrende zu diesen Events. Dabei gibt es Gastvorträge, Exkursionen, kulturelle Veranstaltungen und Treffen von Studierenden unterschiedlicher Nationalitäten, um einen erfolgreichen kulturellen Austausch zu fördern.
Das sind Formate, die das International Office am Linzer Campus anbietet. Selbstverständlich hat jede Fakultät ihre eigenen Formate. Um die Internationalisierung der FH OÖ voranzutreiben, bedarf es guter Netzwerke und verlässlicher internationaler Partnerschaften. Die Pflege und der Aufbau dieser ist ebenfalls ein wichtiger Aufgabenbereich in meiner täglichen Arbeit.
Welche Herausforderungen sind für dich mit der Globalisierung verbunden und worin die Vor- und Nachteile der digitalen Kommunikation?
Der Begriff 'Globalisierung' ist allgegenwärtig, aber seine wahre Bedeutung geht oft verloren. Viele glauben nämlich fälschlicherweise, dass man heutzutage alles durch einfaches Googeln erfahren kann. Betrachten wir beispielsweise das faszinierende Land Indien: Ein einfacher Suchbegriff, und die Informationen strömen förmlich herein. Doch darin liegt nicht die ganze Wahrheit. Soziale Netzwerke und Online-Plattformen können niemals den einzigartigen Erfahrungsschatz ersetzen, der entsteht, wenn man tatsächlich in ein Land wie Indien reist und es vor Ort erlebt. Die einzigartige Landschaft, unterschiedliche Sprachen und Kulturen, die Kulinarik – man muss dort sein, das Land mit allen Sinnen erleben. Das können Google und Instagram nicht vermitteln. Andere Beispiele sind Länder wie Pakistan oder Bangladesch. Die kulturellen Nuancen offenbaren sich erst, wenn Studierende aus diesen Regionen zu uns kommen und wir auf einmal draufkommen, dass Dinge, die für uns selbstverständlich sind, in diesen Ländern ganz anders strukturiert sind. Als Bildungseinrichtung schätzen wir den Wert dieser interkulturellen Erfahrungen sehr und sind bemüht, unsere Studierenden darauf zu sensibilisieren bzw. die internationalen Studierenden bei der Integration zu unterstützen und den öfters auftretenden Kulturschock zu minimieren.
Angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Integration von künstlicher Intelligenz in unseren Alltag, blicken wir gespannt in die Zukunft. Wie siehst du persönlich diese Entwicklungen?
Die digitale Welt liefert uns viele Informationen, die kritisch hinterfragt werden müssen. Propaganda, Werbung und tw. Fake News erfordern ein kritisches Auge. Wir sehen, was heute schon mittels KI möglich ist, die Entwicklung geht rasant voran – schneller als mancher Mensch mithalten kann. Manchmal frag man sich schon, was ist von dem Gesehenen nun echt, was ist eventuell KI-generiert? Teilweise entsprechen auch Reiseerwartungen nicht der Realität aufgrund unvollständiger oder einseitiger Informationen. Die Förderung von Mobilität und vor allem die Begleitung vor, während und nach dieser, ist daher entscheidend für eine erfolgreiche Internationalisierung und fördert einen nachhaltigen interkulturellen Dialog. Digitalisierung/Künstliche Intelligenz für den Menschen unterstützend einzusetzen, wo sinnvoll – ja, auf jeden Fall. Aber alles mit Maß und zum Wohle der Allgemeinheit. Und wenn wir von internationalen Erfahrungen sprechen – ich kann entweder anderen am Handy/Instagram zusehen, wie sie die Welt bereisen, oder, ich packe meine Koffer und mache die Reise selbst.
Worin besteht für dich der essenzielle Kern der Internationalisierung durch Mobilität?
Internationalisierung kann in Form unterschiedlicher Maßnahmen erfolgen. Eine Möglichkeit für Studierende ist der Auslandaufenthalt im Rahmen eines Auslandssemesters oder eines Praktikums im Ausland. So können Studierende beispielsweise an einer unserer 250 internationalen Partnerhochschulen für ein bis zwei Semester studieren oder in einem F&E-Labor in den USA an ihrer Masterthesis arbeiten. Praktika bei Unternehmen im Ausland sind ebenfalls keine Seltenheit. Auch Kurzzeitprogramme, bei denen Studierende nur ein bis zwei Wochen internationale Luft schnuppern und Fachvorträge besuchen, werden immer beliebter.
Internationalisierung an der FH OÖ umfasst auch die Personalmobilität – darunter fallen Reisen von Lehrenden ins Ausland für Gastvorträge, Netzwerken und Fortbildungen im Rahmen eines „Staff Training Weeks“, letztere insbesondere für administratives Personal. Das International Office bietet umfassende Unterstützung und Beratung für alle, die an einem Auslandsaufenthalt interessiert sind, organisiert aber auch zahlreiche hier genannte Events.
Gibt es seitens des International Office auch Empfehlungen für kulturelle und soziale Aktivitäten während ihres Aufenthalts?
Absolut. Bei Kurzzeitaufenthalten (International Weeks, Staff Training Weeks) organisiert das International Office das bereits genannte kulturelle Rahmenprogramm. Für internationale Studierende, die ihr Auslandssemester bei uns verbringen (Incomings) oder fürs gesamte Studium bei uns sind (Regulärstudierende) gibt es zu Beginn des Semesters die sog. „Welcome Week“ und während des Semesters regelmäßige Veranstaltungen (bspw. Stammtische, International Evenings, gemeinsame Opern- und Theaterbesuche) usw. Zusätzlich bekommen die internationalen Studierenden bereits vor der Ankunft eine oder einen „Buddie“ zugewiesen, das sind reguläre Studierende, die sich bereits gut bei uns eingelebt haben und als erste Hilfe bei diversen Wegen (Meldeamt, Bank) aber auch zum Fortgehen/Shoppen zur Verfügung stehen.
Gibt es die Möglichkeit, ein Stipendium für ein Auslandsprogramm zu beantragen? Wenn ja, welche Anforderungen müssen erfüllt werden?
Für unsere Studierenden, die sich grob gesagt im EU-Raum befinden und ins Ausland gehen, besteht die Möglichkeit, das Erasmus-Stipendium zu beantragen. Die einzelnen Länder verwalten üblicherweise ihre eigenen Studierendenmobilitäten und sind somit auch für die Vergabe von Fördermitteln zuständig. Als Erasmus+ Koordinatorin der FH OÖ bin ich für die Beantragung und Verwaltung der finanziellen Mittel verantwortlich, verfasse Zwischenberichte und den Endbericht. Diese Tätigkeit ist äußerst verantwortungsvoll, insbesondere weil wir jedes Jahr eine höhere Summe beantragen und der Großteil dieser Gelder tatsächlich in die Studierendenförderung fließt. Durch diese Förderung wird die Mobilität erleichtert, auch wenn die Kosten in den seltensten Fällen vollständig gedeckt werden. Dennoch stellt die finanzielle Unterstützung eine große Erleichterung für die Studierenden dar. Auch bei den von Erasmus+ geförderten Personalmobilitäten konnte in den vergangenen Jahren ein Großteil der Ausgaben rückerstattet werden.
Gibt es eine Geschlechterprävalenz, das heißt, nehmen mehr männliche oder mehr weibliche Studierende an Auslandsprogrammen teil?
Die Verteilung bei den Mobilitäten, insbesondere im Rahmen von Erasmus+, zeigt, dass es tatsächlich einen Unterschied gibt. Es scheint, dass mehr Studentinnen interessiert sind, Auslandserfahrungen zu sammeln als ihre männlichen Kommilitonen. Diese Beobachtung haben wir erneut bei der Winterschool im Februar gemacht, wo ebenfalls mehr Frauen als Männer teilnahmen. Die genauen Gründe für diese Geschlechterdifferenz sind mir nicht bekannt. Es könnte sein, dass Frauen offener und interessierter sind, ihren Horizont zu erweitern, oder einfach nur mutiger. Männer hingegen erlebe ich oft pragmatischer in Bezug auf Auslandserfahrungen. Vielleicht spiegelt sich diese Geschlechterverteilung auch im International Office selbst wider. Tatsächlich besteht unser Team ausschließlich aus Frauen. Eine humorvolle Schlussfolgerung könnte lauten: Internationalisierung ist weiblich! (lacht herzhaft)
Liebe Iwona, Danke für das Interview!