Diversität und Künstliche Intelligenz – Jahresthema 2024
FH-Prof.in DI.in Dr.in Christiane Takacs, Mitglied der GDM-K, im Gespräch mit FH-Assistenzprof. DI Dr. Harald Hinterleitner.
Harald, du bist ja promovierter Mathematiker und seit Jahren in der Lehre tätig. Weil du ein besonderes Gespür dafür hast, was Studierende für das Verstehen mathematischer Zusammenhänge brauchen und in welcher Form sie das auch gerne konsumieren, hast du im letzten Jahr den Preis für Innovation in der Lehre der FH OÖ gewonnen. Seither bist du wohl auch einem größeren Kolleg*innenkreis bekannt – aber nicht bekannt genug! Ich bin daher besonders stolz darauf, dass du mir heute für ein Interview zur Verfügung stehst. Vielleicht erzählst du uns, bevor wir ins Thema der Diversität und künstlichen Intelligenz eintauchen, die wichtigsten Stationen deiner Karriere und, wenn du magst, auch das eine oder andere private Detail.
Wenn ich auf meinen bisherigen beruflichen Werdegang zurückblicke, sehe ich eine Reise, die stark von meiner Leidenschaft für Mathematik und deren Vermittlung geprägt ist. Nach meinem Bachelor- und Masterstudium in Technischer Mathematik an der Johannes Kepler Universität Linz, das sich auf mathematische Modellierung und numerische Simulation konzentrierte, schloss ich auch mein Doktoratsstudium dort mit Auszeichnung ab. Während meines Masterstudiums absolvierte ich ein Auslandssemester an der Technical University of Denmark, was meine internationale Perspektive erweiterte. Meine Dissertation widmete sich stochastischen Differentialgleichungen und deren Anwendung in der Neurowissenschaft. In dieser Zeit präsentierte ich meine Forschung auf mehreren internationalen Konferenzen.
Bereits während meines Doktoratsstudiums sammelte ich erste Lehrerfahrungen an der Universität und in anderen Bildungseinrichtungen. Nach der Promotion setzte ich meinen Weg in der Lehre und Forschung fort, unter anderem als Lektor an der JKU und als Lehrbeauftragter an der Hamburger Fern-Hochschule. Diese Erfahrungen vertieften mein Verständnis für die Bedürfnisse der Studierenden und die Herausforderungen beim Erlernen mathematischer Konzepte.
Seit 2021 bin ich Assistenzprofessor für Mathematik und Statistik an der FH Oberösterreich, Campus Wels, wo ich Mathematik in den Ingenieurwissenschaften unterrichte und bis Ende August 2024 als interimistischer Studiengangsleiter für ElectricalEngineering tätig war. Es bereitet mir große Freude, komplexe mathematische Konzepte zugänglich zu machen und Lehrmaterialien sowie Webinare zu entwickeln.
Neben meiner akademischen Tätigkeit war ich an Projekten wie der Mitgründung der „Mathematik verstehen GesbR“ beteiligt, die sich auch auf die Beratung von Studierenden in mathematischen Fragestellungen spezialisiert. Ich habe Schulbücher für die Oberstufe verfasst und bin Gutachter für wissenschaftliche Publikationen sowie Mitglied des Editorial Boards der Fachzeitschrift „Research in Statistics“.
Privat bin ich Familienvater eines dreijährigen Sohnes und investiere viel Zeit in die Renovierung unseres Hauses und Gartens. Meine Frau baut Gemüse und Obst an, das wir gemeinsam verarbeiten. Wir legen großen Wert auf einen naturnahen, nachhaltigen Lebensstil, einschließlich einer biologischen und veganen Ernährung. Früher war ich ein begeisterter Sportler, insbesondere im Bergsteigen, Radfahren, Tischtennis und Skifahren, und auch die Musik, insbesondere das Akustikgitarrenspiel im Tonstudio, hat eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt.
Welche Schwerpunkte setzt du, bei denen Künstliche Intelligenz eine Rolle spielt?
Ich nutze Künstliche Intelligenz, insbesondere ChatGPT, vor allem zur Verbesserung und Reformulierung von Texten (so auch diesen 😊) und zur Übersetzung von E-Mails. Dabei gebe ich meist nur Stichworte ein, um die gewünschten Texte zu generieren. Darüber hinaus unterstützt mich ChatGPT beim Übersetzen von Lehrmaterialien und Skripten. In der Forschung dient es mir als Diskussionspartner zur Datenanalyse, um verschiedene Perspektiven zu erforschen und zu validieren. In der Lehre versuche ich, den Studierenden zu vermitteln, dass sie KI-Technologie reflektiert nutzen sollten, insbesondere dass KI-generierte Texte auf Wahrscheinlichkeiten basieren und nicht immer korrekt sind.
Künstliche Intelligenz bringt Chancen und Risiken für Diversität. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Künstliche Intelligenz hat sowohl Chancen als auch Risiken für Diversität. Es ist wichtig zu beachten, dass die Ergebnisse von KI-Systemen auf Wahrscheinlichkeiten und den zugrunde liegenden Trainingsdaten basieren. Besonders in der Mathematik habe ich festgestellt, dass KI gelegentlich fehlerhafte Ergebnisse und Texte liefert.
Die Trainingsdaten von KI-Systemen sind oft voreingenommen, was direkte Auswirkungen auf die Diversität hat. Ein Risiko ist, dass KI die allgemeine Meinung des wissenschaftlichen Mainstreams widerspiegelt, ohne ausreichend individuelle Perspektiven zu berücksichtigen. Da Wissenschaft immer die Möglichkeit des Irrtums einräumt, besteht die Gefahr, dass KI die Weiterentwicklung hemmen könnte, wenn sie nur das Bekannte reproduziert. Transparenz in den Algorithmen und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen sind entscheidend, um Voreingenommenheit zu vermeiden und Diversität zu fördern.
Auf der positiven Seite kann KI auch dazu beitragen, Vorurteile abzubauen. Ein Beispiel: Als ich ChatGPT im Zusammenhang mit Schummeleien bei einer Klausur fragte, ob Menschen aus bestimmten Ländern häufiger lügen würden, antwortete es, dass es dafür keine wissenschaftlichen Belege gibt. Dies zeigt, wie KI helfen kann, von subjektiven Vorurteilen zu objektiveren Betrachtungen zu gelangen und Diskriminierung zu reduzieren.
Worin siehst du die größten Herausforderungen?
Eine der größten Herausforderungen liegt im Datenschutz und in der Frage, wer die Verantwortung für KI-Systeme trägt und sie kontrolliert. Unerfahrene Nutzer*innen könnten die Ergebnisse von KI fälschlicherweise als absolut wahr akzeptieren, obwohl dies nicht immer zutrifft. Zudem ist KI oft eine „Black-Box“, deren Entscheidungsprozesse schwer nachzuvollziehen oder zu interpretieren sind.
Extrem kritisch sehe ich deshalb den Einsatz von KI in der Waffentechnologie (Ethik und Sicherheit).
Was braucht es, um innovative und verantwortungsbewusste Antworten auf die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu geben?
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist essenziell. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass isoliertes Fachwissen oft zu problematischen Entscheidungen führen kann. Wir benötigen mehr Menschen, die über mehrere Fachgebiete hinweg denken können. Diversität ist dabei ein Stabilitätsfaktor, da sie verhindert, dass nur eine Meinung als gültig angesehen wird. Ein breiter Diskurs ist wichtig für eine funktionierende Demokratie.
Gesellschaftlich brauchen wir auch interdisziplinäre Expert*innen im Bereich der KI, um die Bevölkerung professionell über neue Entwicklungen zu informieren. Gesetzliche Rahmenbedingungen sind notwendig, um den verantwortungsvollen Einsatz von KI-Systemen zu gewährleisten. Darüber hinaus sollte in Schulen über KI aufgeklärt und die kritische Nutzung gefördert werden. Forschung und Entwicklung im Bereich KI müssen unterstützt werden, insbesondere zur Integration von KI und zur Erforschung der Technologie selbst.
Gesellschaftliche Herausforderungen bestehen auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel in der Medizin. Hier sollte ein verstärkter Fokus auf Prävention und die Förderung eines nachhaltigen Lebensstils gelegt werden. Im Medizinstudium wird oft zu wenig über Ernährung und deren Einfluss auf Gesundheit und mentale Verfassung vermittelt. Viele Studierende kämpfen heutzutage mit gesundheitlichen und psychischen Problemen – ein Problem, das ebenfalls adressiert werden muss.
Inwiefern spielt da Vielfalt eine Rolle?
Diversität stärkt die Stabilität in einer Gesellschaft. Unterschiedliche Perspektiven führen oft zu kreativeren und besseren Lösungen, die global anwendbar sind, da sie verschiedene Kulturen und Gesellschaften berücksichtigen. Ein diverses Entwicklungsteam trägt dazu bei, Bias in KI-Algorithmen zu reduzieren und bessere, inklusivere Ergebnisse zu erzielen.
Wenn du in die Zukunft schaust, welche positiven Dinge könnten auf uns zukommen?
KI wird uns von langweiligen und monotonen Aufgaben befreien, sodass Menschen sich mehr auf kreative und soziale Kompetenzen konzentrieren können. In der Medizin wird KI eine zunehmend bedeutende Rolle bei der Diagnostik spielen. Auch die Optimierung von Lieferketten und Energiesystemen wird die Nachhaltigkeit fördern. Die Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen durch KI bietet vielversprechende Möglichkeiten. Im Rahmen meiner Doktorarbeit habe ich mich intensiv mit mathematischen Methoden zur Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen im Gehirn beschäftigt und dabei vielversprechende Ansätze kennengelernt, die durch KI weiterentwickelt werden können. Dennoch ist es wichtig, dass die Ergebnisse von KI stets von Expert*innen überprüft werden, insbesondere in sensiblen Bereichen wie juristischen Prozessen oder im Gesundheitswesen.