Diversität und Künstliche Intelligenz – im Gespräch mit FH-Professorin DI Dr.techn. Viktoria Kruder-Motsch BSc
Manuela Meindl-Milla, MA.rer.nat im Gespräch mit FH-Professorin DI Dr.techn. Viktoria Kruder-Motsch BSc.
Stell dich bitte kurz vor!
Ich bin im Marchfeld, in nordöstlichsten Teil des Landes aufgewachsen. Diese Region ist gezeichnet durch fruchtbare Böden, die sie zu einem wichtigen landwirtschaftlichen Anbaugebiet machen. Dennoch war mein Weg in die Landtechnik keinesfalls geradlinig.
Ich entschied mich für das Studium der technischen Physik an der TU Wien. Noch heute profitiere ich von den fundierten Grundlagen und der dort entwickelten Problemlösungsfähigkeit. Meine Diplomarbeit verfasste ich im Bereich Festkörperphysik, in der ich die Bildgebung in einem Transmissionselektronenmikroskop simuliert habe. Dabei vertiefte ich mich erstmals intensiv in optische Systeme und entdeckte meine Leidenschaft für das Programmieren.
Nach dem Abschluss meines Diplomstudiums entschied ich mich für eine Dissertation im Bereich Biophysik, ebenfalls an der TU Wien. Obwohl die Stellenausschreibung eigentlich nach eine*m*r Mediziner*in oder Molekularbiolog*en*in suchte, habe ich mich dieser Herausforderung gestellt und dabei viel gelernt. In meiner Arbeit habe ich die Kinetik einer Kinase in der T-Zell-Aktivierung mittels Fluoreszenzmikroskopie untersucht. Zudem konstruierte ich DNA-Origami, um den Zellen bestimmte, wohldefinierte Anordnungen von Interaktionspartnern zu zeigen. Die Promotion hat mich zu einem Data Scientist entwickelt, wobei ich hauptsächlich mit Bilddaten arbeitete.
Mein beruflicher Weg führte mich schließlich an die Universität für Bodenkultur, Wien (BOKU), genauer gesagt an das Institut für Landtechnik. Dort begann ich, meine Fähigkeiten erstmals auf Digitalisierungsthemen in der Landwirtschaft zu fokussieren, insbesondere auf die Verarbeitung von Bilddaten, wie beispielsweise die Erkennung von Unkräutern in Drohnenaufnahmen. Seit 2023 bekleide ich die Professur für Agrartechnik an der FH Wels, wo ich mich neben meiner Lehrtätigkeit weiterhin intensiv mit den Digitalisierungsthemen in der Landwirtschaft beschäftige. Zusätzlich engagiere ich mich in der Agrarcommunity als Beiratsmitglied der Gesellschaft für Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft (GIL) und Vorstandsmitglied des österreichischen Kuratoriums für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL).
In meiner Freizeit widme ich mich hauptsächlich dem Sport und der Musik. Ich gehe gerne laufen, sei es eine Strecke von 5 km oder ein Marathon, und bin aktives Mitglied in einem Schwimmverein. Zusätzlich spiele ich Posaune in der örtlichen Blasmusik und in der Philharmonie Marchfeld, wo ich auch in beiden Vereinen im Vorstand tätig bin.
Welche Schwerpunkte setzt du, bei denen Künstliche Intelligenz eine Rolle spielt?
Künstliche Intelligenz spielt eine entscheidende Rolle bei der Steigerung der Effizienz, Nachhaltigkeit und Produktivität in der Landwirtschaft. Die Anwendungsmöglichkeiten sind äußerst vielfältig. Aufgrund meiner Erfahrung konzentriere ich mich insbesondere auf die Analyse von Bilddaten von Pflanzen und Feldern, um beispielsweise Unkraut von Nutzpflanzen zu unterscheiden. Diese Technologie ermöglicht eine automatisierte Unkrautbekämpfung und führt somit zu Zeit- und Ressourceneinsparungen.
Des Weiteren nutze ich künstliche Intelligenz in Tools wie Elicit, um Informationen aus wissenschaftlichen Artikeln zu analysieren und zusammenzufassen. Zudem verwende ich ChatGPT als Hilfsmittel zur Erstellung von Texten und zur Unterstützung bei verschiedenen Aufgaben.
Künstliche Intelligenz bringt Chancen und Risiken für Diversität. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Die Nutzung von KI birgt Risiken, an die man oft gar nicht denkt. Die Modelle werden maßgeblich durch die Trainingsdaten geprägt, die in das Modell eingespeist werden. ChatGPT wird beispielsweise an einer breiten Palette von Textdaten trainiert, die aus dem Internet stammen, darunter Nachrichtenartikel, Bücher, Websites, Foren und vieles mehr. Vorurteile in den Eingangsdaten spiegeln sich dann auch in den Antworten wider.
Dies gilt nicht nur für textbasierte Modelle, sondern auch beispielsweise bei der Nutzung von Bilddaten. Bei der Erkennung von Pflanzen kann man anstatt eines einzelnen, allgemeinen Modells, verschiedene Modelle zur Erkennung verschiedener Sorten nutzen, um die Trefferquote zu erhöhen. Diese Unterscheidung zeigt sich auch bei der Gesichtserkennung: Je nachdem, auf welche Hautfarbe die Modelle trainiert wurden, funktionieren sie bei den verschiedenen Personengruppen unterschiedlich gut oder schlecht. Die unterschiedlichen Ergebnisse können allerdings auch als Rassismus interpretiert werden. Dies zeigt die Chancen von verbesserter Erkennung in bestimmten Fällen auf, die zugleich auch Limitation ist.
Daher ist es generell ratsam, die verwendeten Modelle mit ihren Vor- und Nachteilen gut zu kennen und den Ergebnissen nicht einfach zu vertrauen. Als Mensch trägt man immer noch die Verantwortung.
Worin siehst du die größten Herausforderungen?
Ich arbeite hauptsächlich mit neuronalen Netzen, die größtenteils als Black-Box-Modelle fungieren. Das bedeutet, dass man nicht direkt nachvollziehen kann, warum ein Modell zu einem bestimmten Ergebnis kommt. Dadurch kann man das Verhalten des Modells in neuen Situationen nicht vorhersehen.
Die Landwirtschaft zählt zu den kritischen Infrastrukturen. Mit der zunehmenden Digitalisierung wird KI immer stärker in diesen Bereich integriert. Daher ist eine menschliche Kontrollinstanz von entscheidender Bedeutung, um eine zu starke Abhängigkeit von solchen Systemen zu vermeiden.
Was braucht es, um innovative und verantwortungsbewusste Antworten auf die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu geben?
Insbesondere Bildungseinrichtungen wie die FH Oberösterreich können eine zentrale Rolle dabei spielen, diese Herausforderungen zu bewältigen. Ausbildungen, die ein Verständnis für KI-Systeme vermitteln und dabei stark auf die Entwicklung von Problemlösungskompetenzen fokussieren, sind von essenzieller Bedeutung. Besonders wirkungsvoll ist dies in Kombination mit der Fähigkeit zum kritischen Denken. Meiner Meinung nach ermöglicht dies die Entwicklung innovativer Lösungen.
Inwiefern spielt da Vielfalt eine Rolle?
Probleme bieten oft Raum für verschiedene Lösungsansätze. Wenn man in einer Sackgasse steckt, kann ein Perspektivwechsel neue Wege aufzeigen Ein solcher Wandel kann durch einen interdisziplinären und ganzheitlichen Ansatz erreicht werden. Die Förderung von Diversität ermöglicht es, neue Blickwinkel zu gewinnen und vielfältige Lösungsansätze zu entwickeln.
Wenn du in die Zukunft schaust, welche positiven Dinge könnten auf uns zukommen?
KI ist nicht mehr aus unserer Gesellschaft wegzudenken und wird unsere Zukunft in nicht vorherzusagender Art und Weise prägen. Gerade in der Landwirtschaft besteht die Möglichkeit durch KI in Kombination mit Automatisierung manuelle Arbeit unter teilweise harschen Bedingungen zu vermeiden. Dennoch ist es unerlässlich, sich der Risiken von KI-Systemen bewusst zu sein und diese nicht zu vernachlässigen.