Wie Online-Shoppen ein Stück nachhaltiger werden kann
Forscherinnen des Logistikums Steyr der FH Oberösterreich untersuchen Mehrwegverpackungen in Kooperation mit der Österreichischen Post. Kund*innen von fünf Handelspartnern können mitmachen und damit einen Beitrag leisten, die durch Web-Einkäufe verursachten Berge an Abfall abzutragen.
So manche Konsument*innen, die bis Juli 2022 ihre Waren über die Web-Shops von dm, Interspar Weinwelt, Intersport, Tchibo und Thalia bestellen, könnten eine Schlüsselrolle bei einem Pilotprojekt der FH Oberösterreich einnehmen. Denn ausgewählte Produkte, die die Paketzusteller*innen der Österreichischen Post vor die Wohnungstüre liefern, kommen in einer wiederverwendbaren – und daher nachhaltigen Versandverpackung, an. Empfänger*innen, denen die Reduzierung von Müll am Herzen liegt, können, wenn sie wollen, zu Testkund*innen werden, indem sie diese Verpackungen zurückgeben. „Sie haben auch die Möglichkeit, an einer Online-Umfrage teilzunehmen und ihre Meinung zu der Verpackung und dem Handling mitzuteilen“, sagt Projektleiterin Sarah Pfoser. Die 32-jährige wissenschaftliche Mitarbeiterin aus Steyr verantwortet im Team mit drei weiteren Kolleginnen des FH-Logistikums den ersten in Österreich stattfindenden Test von wiederverwendbaren Verpackungslösungen. Dieser wird in enger Zusammenarbeit mit der Österreichischen Post und den fünf Handelspartnern umgesetzt.
Die Idee einer „grünen Verpackung“ keimte bereits in einem FH-Vorprojekt mit der Österreichischen Post auf, als die Forscher*innen mit einer Online-Befragung unter Konsument*innen die Vor- und Nachteile des Online-Lebensmittelhandels aufspürten. Auf Platz eins der Mängelliste reihten die Teilnehmenden den dadurch entstehenden Müll. „Die Wertigkeit dieses Problems hat uns damals überrascht und war einer der ausschlaggebenden Gründe, dafür Lösungen zu finden“, erinnert sich Pfoser. Zudem hätten Vorstudien ergeben, dass viele Konsument*innen auch bereit seien, einen kleinen Beitrag für nachhaltige Verpackungen zu bezahlen.
Zusammenfalten- und wieder ab die Post
Für das nunmehrige Pilotprojekt können die Empfänger*innen einer wiederverwendbaren Verpackung diese mittels beigefügter Anleitung zusammenfalten und je nach Größe über Briefkästen, Post-Geschäftsstellen oder SB-Zonen der Post an die Handelsunternehmen zurückschicken. Die Verpackungen von dm, Thalia und Tchibo können auch in deren Filialen retourniert werden.
Die Forscherinnen und Projektpartner untersuchen nicht nur den ökologischen Nutzen, sondern überprüfen auch die Rentabilität und den Mehraufwand. „Die Wirtschaftlichkeit ist ein Knackpunkt, wobei vor allem die Kosten der Retouren wesentlich sind“, sagt Pfoser. „Deswegen haben wir für das Pilotprojekt nur faltbare Verpackungen ausgewählt, die als Brief günstiger als ein Paket retourniert werden können.“
Sollten Kund*innen die Verpackungen in den stationären Handel zurückbringen, hält sich der Mehraufwand auch für die Verkaufsmitarbeiter*innen in Grenzen. Sie senden die Mehrweg-Boxen und -Taschen lediglich an ihre jeweiligen Lager zurück. Laut Pfoser fallen die Mehraufwände dann eher in der Kommissionierung im Lager an. Die Verpackungen müssen dort gereinigt und wieder aufbereitet werden. Derzeit übernehmen das die Lagermitarbeiter*innen der Handelsunternehmen. Für die Zukunft wird angedacht, diese Aufgaben zentralisiert an einen Partner auszulagern, um die Prozesse effizienter zu gestalten. „Da könnte sich Potential für neue Geschäfts- und Betreibermodelle auftun“, meint Pfoser. Die Österreichische Post prüft bereits die Möglichkeit, als Full-Service Provider für diese Aufgaben aufzutreten.
Viele Gütekriterien stehen im Fokus
Es gibt derzeit vier verschiedene Verpackungsmöglichkeiten, die seitens der FH OÖ und ihrer Projektpartner getestet werden. Deren Lebensdauer liegt zwischen zehn und 125 Zyklen. Es ist aber nicht so, dass eine Verpackung, die die meisten Touren und Retouren übersteht, auch wirklich die beste Lösung darstellt. „Tatsächlich sind jene Verpackungen, die zehn Zyklen schaffen, ein sehr gutes System“, sagt die FH-Wissenschaftlerin. Denn erwartungsgemäß werden leider nicht alle Verpackungen von den Konsument*innen zurückgesendet, sodass die Lebensdauer von 125 Zyklen meist nur in der Theorie möglich ist. Somit zählen auch andere Gütekriterien, wie etwa der Produktschutz, die Umweltbilanz, die Wiederverwertbarkeit und die Möglichkeit der Aufbereitung. Bei den zu testenden Verpackungen kommt nicht nur Karton, sondern auch recycelter Kunststoff zum Einsatz. Tatsächlich schneidet Kunststoff im Vergleich zu einem Einwegverbundmaterial nicht schlecht ab. Denn mit Recycling von PET lassen sich die CO2-Emissionen kompensieren, die bei der Produktion entstanden sind.
Für das FH-Projektteam steht jedenfalls fest, dass Mehrweglösungen mit Abstand das größte Potenzial für positive Umwelteffekte besitzen. Sie benötigen jedoch auch einen großen Umstellungsaufwand. In den kommenden Monaten werden dazu umfangreiche Analysen vorgenommen. Das Pilotprojekt läuft bis September 2022. Bis dahin wird sich zeigen, ob sich dieser Aufwand bei ‚grünen Verpackungen‘ lohnt und ob die Konsument*innen auch tatsächlich bereit sind, die Verpackungen zurückzusenden.
Umweltthemen als Lebensanliegen
Pfoser selbst ist seit neun Jahren am Logistikum Steyr der FH Oberösterreich als Forscherin im Einsatz und hat in dieser Zeit viele nachhaltige Innovationen auf den österreichischen Markt begleitet. „Dass mir die Umwelt am Herzen liegt, zieht sich durch mein ganzes Leben“, sagt sie. Im Vorjahr schloss sie nicht nur ihr Doktorat an der Universität Bremen ab, sondern wurde auch für ihre Gesamtleistung mit dem Jungforscher*innen-Preis der FH OÖ ausgezeichnet. Vor dem Projekt „Grüne Verpackung“ hat sich die Steyrerin bereits anderen nachhaltigen Themen gewidmet, darunter dem Bau der ersten österreichischen Flüssigerdgasanlage (LNG) im Ennshafen oder der Verkehrsverlagerung auf nachhaltige Verkehrsträger.
Pfoser zu ihrer Motivation: „Wenn ich sehe, was die Forschung leistet, damit in der Praxis etwas Positives für die Umwelt bewirkt werden kann, dann erfüllt mich das und treibt mich voran.“ Die Wissenschaftlerin will auch künftig der Forschung treu bleiben und somit am Puls der Zeit sein: „Wir können so den Grundstein dafür legen, was später in der Praxis breite Anwendung finden wird.“