Wie die FH Oberösterreich am Campus Steyr für die Industrie den Einsatz virtueller Welten erkundet
Wissensvermittlung in virtuellen Gemeinschaften wird auch nach der Corona-bedingten Sondersituation an Bedeutung gewinnen. Am FH OÖ Campus Steyr beschäftigen sich Forscher*innen und Studierende rund um FH-Professor Josef Wolfartsberger mit Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) – und das mit hohem Praxisbezug. Ziel ist, für Industriebetriebe eine ortsunabhängige Zusammenarbeit zu ermöglichen.
Die Covid-19-Pandemie führt der Industrie weltweit ein Problem vor Augen: Der Präsenzbetrieb in den Werken ist teilweise eingeschränkt und dichte Grenzen erschweren Dienstreisen zu Handelspartnern. Doch wie kann unter diesen Bedingungen eine neue Maschine beim Kunden aufgebaut und eingerichtet werden? Wie funktioniert die Instandhaltung einer Anlage? Zukunftsweisende Antworten darauf liefern Forscher*innen, Lehrende und Studierende am FH OÖ Campus Steyr.
Ein Team rund um FH-Professor Josef Wolfartsberger (39), der im Studiengang „Smart Production und Management“ unterrichtet, entwickelt Tools für die österreichische Industrie. Mit Hilfe virtueller und erweiterter (augmented) Realitäten soll ein ortsunabhängiges, kollaboratives Arbeiten möglich werden. Die Idee dahinter: Irgendwo auf der Welt setzt sich ein Facharbeiter ein VR-Headset auf. Sofort befindet er sich virtuell im Arbeitsbereich seines Kunden und kann die Inbetriebnahme oder die Reparatur einer Maschine unterstützen.
Bei Augmented Reality (AR) wird die reale Umgebung wahrgenommen, während zusätzliche digitale Informationen eingeblendet werden. Bei Virtual Reality (VR) ist die reale Umgebung komplett ausgeblendet. Im industriellen Montageprozess werden mit Smart Glasses einzelne Arbeitsschritte ins Sichtfeld der Arbeiter*innen projiziert. Menschliche Arbeitskraft und Computerunterstützung fließen nahtlos ineinander. In virtuellen Umgebungen können Wartungsprozesse simuliert und trainiert werden, ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen.
Vom wissenschaftlichen Mitarbeiter zum FH-Professor
Wolfartsberger setzt sich am FH OÖ Campus Steyr seit 2016 intensiv mit der Frage auseinander, wie VR und AR zur Wissensvermittlung verwendet werden können. Er trieb dieses Thema als Forschungsassistent voran. Im September 2020 machte er einen Karrieresprung vom wissenschaftlichen Mitarbeiter zum FH-Professor. Sein Ziel ist, sein Wissen aus der Forschung in die Lehre einfließen zu lassen, und zwar mit Fokus auf praktische Anwendung in der Industrie.
Dazu trägt ein Forschungsprojekt bei, das Wolfartsberger neben seiner Lehrtätigkeit betreut. Es setzt sich mit vermischten Wirklichkeiten auseinander. Am Projekt „Mixed Reality-based Collaboration for Industry“ beteiligen sich knapp 20 Industriebetriebe, darunter Automatisierungsspezialist Lenze aus Asten oder Aluminiumveredler Piesslinger aus Molln. „Unsere Partner überlegten sich spezielle Anwendungsfälle für VR und AR aus ihrer industriellen Praxis. Wir haben diese Anwendungen für jedes einzelne Unternehmen prototypisch entwickelt“, sagt Wolfartsberger. So wurde etwa für einen Partner eine virtuelle Lernumgebung für die Montage von Getrieben geschaffen. Ein anderer erhielt eine Remote-Support-Anwendung zur visuellen Unterstützung von Wartungsarbeiten. „Die Forschungsgebiete an denen Josef Wolfartsberger arbeitet, veranschaulichen mit welchen hochaktuellen und für die praktische Umsetzung sehr relevanten Themen sich die Forscherinnen und Forscher der Fachhochschule Oberösterreich beschäftigen“, unterstreicht FH-Prof. PD DI Dr. Johann Kastner, Vizepräsident für Forschung & Entwicklung der FH OÖ.
Für alle Projektbeteiligten ist das auch ein Erfahrungsaustausch, wo diese Technologien derzeit stehen und was noch Zukunftsmusik ist. Lern- und Trainingsmethoden via VR lassen sich bereits produktiv einsetzen. Bei AR gibt es noch Stolpersteine, wie etwa aus ergonomischer Sicht eher unpraktikable Head-Sets. „Ganz unabhängig von Pandemie-Zeiten bin ich überzeugt, dass kollaboratives Arbeiten über Ländergrenzen hinweg forciert werden muss“, sagt der FH-Professor. „Wollen wir unseren ökologischen Fußabdruck minimieren, müssen wir auf derartige Tools wie VR und AR zurückgreifen können.“
Spielerische Wissensvermittlung als Ziel am FH OÖ Campus Steyr
Die Begeisterung für spielerische Wissensvermittlung zieht sich bei Wolfartsberger durch sein halbes Leben. Der gebürtige Welser, der an der Technischen Universität in Wien die Masterstudiengänge Medieninformatik und Informatikmanagement absolvierte, setzte sich bereits in seiner Dissertation damit auseinander, wie Spiele und virtuelle Welten dazu beitragen können, Informationen zu transportieren. „Es ist ein großes Forschungsfeld, in dem ich sehr viel Potenzial sehe“, so der Forscher. Vier Jahre vertiefte er sein Wissen, indem er für den Wiener Spieleproduzenten ovos media als technischer Projektmanager und Softwareentwickler arbeitete. Das Unternehmen befasst sich mit spielerischer Wissensvermittlung in Form von Serious Games und Gamification. Nach 14 Jahren in Wien lotsten ihn private Gründe zur FH OÖ nach Steyr.
Auch in seinem Lehrberuf will er spielerische Elemente der Wissensvermittlung einbauen. „Meine Vision ist, gemeinsam mit Studierenden von zu Hause aus in einem virtuellen Hörsaal oder einer virtuellen Werkshalle an einem Projekt zu arbeiten. Bis das Realität wird, werden aber einige Jahre vergehen, denn noch können nicht alle die dazu nötige VR-Ausstattung besitzen.“