Werkstofftechnik in der Weichteilregeneration: Eröffnung eines weiteren Josef Ressel-Zentrums an der FH Oberösterreich
„Bündnis“ von High-Tech und Medizin
Neues Josef Ressel-Zentrum: Muskeldefekte mit Hilfe von 3D-Druck direkt im Körper regenerieren
V.l.n.r.: FH-Prof. PD DI Dr. Johann Kastner, Prokurist und Vizepräsident Forschung und Entwicklung der FH OÖ sowie Mitglied des JR-Senats der CDG, Head of R&D Anita Erharter und CSO Rainer Marksteiner (beide Innovacell GmbH), OÖ-Landtagsabgeordnete Astrid Zehetmair (in Vertretung von OÖ-Wirtschafts- und Forschungslandesrat Markus Achleitner), Modulleiter Paul Slezak (Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie), Univ.Prof. DI Dr. Barbara Bohle, Leiterin des Department of Pathophysiology and Allergy Research der MedUni Wien sowie Mitglied des JR-Senats der CDG, Zentrumsleiter FH-Prof. PD Dr. Jaroslaw Jacak (FH OÖ), Application Specialist R&D Sascha Raschke und Managing Director Jens Schiffmann (beide Particle Metrix GmbH) sowie Hochschulpräsident und Geschäftsführer der FH Oberösterreich FH-Prof. DI Dr. Michael Rabl MBA. Bildquelle: B. Plank - imBILDE.at
Tissue Engineering spielt eine zentrale Rolle in der regenerativen Medizin. Diese gezielte, künstliche Herstellung von biologischem Gewebe ermöglicht es, beschädigtes oder krankes Gewebe bei Patient*innen zu ersetzen. Der Spielraum bei Organversagen, Gewebeschäden und degenerativen Erkrankungen wird dadurch deutlich größer, ebenso die Perspektive für personalisierte Therapien. Aktuell fehlen in diesem Bereich allerdings Test- und Entwicklungssysteme, um komplexe in-vitro Modelle auch auf lebende Organismen übertragen zu können. Das Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus fördert daher das neue, auf fünf Jahre angelegte Josef Ressel-Zentrum (JRZ) für „Werkstofftechnik in der Weichteilregeneration“. Dieses erforscht dreidimensionalen, licht-modulierten Gewebedruck für die Anwendung bei der Regeneration von Muskelgewebe am Department für Medizintechnik der FH Oberösterreich in Linz.
Das Hauptziel des Zentrums ist die Entwicklung von 3D-Zellgerüsten aus sogenannten Bioinks. Dabei werden artspezifische Proteine der Extrazellulären Matrix (EZM) des Muskelgewebes modifiziert und 3D-druckbar gemacht, für den anschließenden licht-modulierten EZM-Druck dienen dann Multiphotonenlithographie und die Direktlichtverarbeitung. Dabei werden die Komponenten der Bioinks mithilfe von Licht gehärtet und ein hochauflösendes Gewebegerüst entsteht. Um Proteinschäden durch Lichtabsorption und Wärmeeinwirkung zu minimieren, werden die Eigenschaften der EZM-Proteine chemisch optimiert.
BMWET unterstützt gezielt praxisnahe Forschung
Die Josef Ressel-Zentren werden durch das Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus in Kooperation mit engagierten Unternehmenspartnern kofinanziert. Bundesminister Wolfgang Hattmannsdorfer betont: „Ob Organversagen, Gewebeschäden oder Muskeldegeneration – die Vision, funktionelle Gewebestrukturen im 3D-Druck herzustellen und mit körpereigenen Zellen zu besiedeln, erscheint wie Science Fiction. Doch genau in dieser Zukunft liegt enormes medizinisches Potenzial. Um sie Realität werden zu lassen, braucht es exzellente Forschung. Das Josef Ressel Zentrum leistet hier einen bedeutenden Beitrag. Ich wünsche dem gesamten Team viel Erfolg bei seiner wegweisenden Arbeit.“
FH Oberösterreich bietet Top-Infrastruktur für Josef Ressel-Zentren
„Die anwendungsnahe Forschung der Fachhochschule Oberösterreich ist für den Innovationsvorsprung des Wirtschaftsstandortes OÖ von zentraler Bedeutung. Durch die Unterstützung des Landes OÖ kann die FH Oberösterreich eine Top-Infrastruktur für Spitzenforschung anbieten, insbesondere auch im Rahmen von Josef Ressel-Zentren, so wie beim neuen Zentrum für ‚Werkstofftechnik in der Weichteilregeneration‘ in Linz. Diese Investitionen des Landes zeigen Wirkung, denn sie haben der FH Oberösterreich ermöglicht, mit fünf von insgesamt 17 die meisten Josef Ressel-Zentren nach Oberösterreich zu holen. Diese Josef Ressel-Zentren tragen wesentlich zur Etablierung der FH Oberösterreich als forschungsstärkste Fachhochschule aller Bundesländer bei“, unterstreicht Wirtschafts- und Forschungs-Landesrat Markus Achleitner.
Nachbildung von Skelettmuskelgewebe
„Derartig gedruckte Gerüste für biologische Zellen bilden danach die Struktur von glattem sowie von Skelettmuskelgewebe nach“, erläutert FH-Prof. PD Dr. Jaroslav Jacak von der FH Oberösterreich, Leiter des neuen JRZ. „Sie erlauben“, so Jacak weiter, „eine präzise Kontrolle über Geometrie und Struktur, ermöglichen den Einsatz als personalisierten Gewebeersatz und verbessern bestehende experimentelle und translationale Modelle“. Der Physiker wird künftig ein Team von zwei Post-Docs, vier Doktorand*innen und einem*r Techniker*in anführen. Partner sind auf wissenschaftlicher Seite das Ludwig-Boltzmann-Institut (LBI) für Traumatologie und die Innsbrucker Firma Innovacell sowie das in der Nähe von München beheimatete Unternehmen Particle Metrix.
Was passiert nun mit den 3D-Zellgerüsten?
Um synthetisches Muskelgewebe nachzubauen, müssen die 3D-Zellgerüste in der Folge mit Muskelzellen besiedelt werden. Dafür wird ein in-vitro Zellsystem zur Umwandlung von Skelettmuskel Zellen in funktionelle Muskelfasern oder in glatte Muskelzellen entwickelt.
Erarbeitet werden standardisierte Protokolle für mechanische und Elektrostimulation mit dem Ziel, die Reifung der 3D-Muskelmodelle zu fördern und die Analyse biochemischer und mechanischer Signale zur Verbesserung der Muskelfunktion zu erleichtern. Gleichzeitig entstehen Werkzeuge zur Bewertung der Funktionalität und Qualität dieser Modelle, wobei der Fokus auf Gen-Analytik und freigesetzten Faktoren wie Extrazelluläre Vesikel (EV) liegt.
„Im Laufe des Projekts werden die 3D-Zellgerüste für den Einsatz in Muskeldefekten angepasst, die Zellsysteme modifiziert und die Zusammensetzung der proteinbasierten Bioink-Materialien weiter optimiert“, schildert Projektpartner Dr. Paul Slezak, Forschungsgruppenleiter am LBI für Traumatologie. Muskeldefektmodelle dienen dabei laut Slezak zur Bewertung der regenerativen Eigenschaften der mit Muskelzellen besiedelten Gerüste. Die Funktionalität der 3D-Zellgerüste wird durch mechanische und biochemische Stimulation weiter optimiert, um sie schließlich implantierbar zu machen.
Erwartungen der Unternehmen
Mit welchen Erwartungen gehen nun beiden Unternehmenspartner in die Zusammenarbeit unter dem Dach des JRZ? „Zusammen mit der Identifizierung neuer Stimulationstechniken wird diese Forschung dazu beitragen, die klinische Wirkung der Zelltherapieprodukte von Innovacell zu verbessern“, sagt Dr. Rainer Marksteiner, Vorstand der vor etwa 20 Jahren gegründeten Firma Innovacell. Von besonderem Interesse ist für ihn das Grundlagenwissen für die Entwicklung von maßgeschneiderten extrazellulären 3D- Matrizen, die mit Zellen besiedelt werden können und im Rahmen der Entwicklung regenerativer Therapien schwer geschädigtes Gewebe regenerieren helfen.
Die ebenfalls 2004 gegründete Firma Particle Metrix erwartet, dass die Forschung zur Entwicklung neuartiger Markierungstechniken für EV aus weichem Muskelgewebe und damit zu verbesserten diagnostischen Möglichkeiten beiträgt. Für die Geschäftsführer Stefan Haid und Jens Schiffmann könnte die Nanopartikel-Tracking-Analyse in Zukunft „ein standardisiertes Instrument für die Erstellung von EV-Profilen werden, welches eine präzise Bewertung des Zellstatus in weichem Muskelgewebe ermöglicht“.
Was ist ein Josef Ressel-Zentrum?
Im JRZ wird anwendungsorientierte Forschung auf hohem Niveau betrieben, hervorragende ForscherInnen kooperieren dazu mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice-Beispiel. Ein JR-Zentrum wird vom Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert.
Über die FH OÖ
Die FH OÖ ist die forschungsstärkste Fachhochschule Österreichs. An unseren vier Standorten werden unterschiedliche Studienschwerpunkte angeboten: Informatik, Kommunikation und Medien am Campus Hagenberg, Medizintechnik und Angewandte Sozialwissenschaften am Campus Linz, Wirtschaft und Management am Campus Steyr sowie Technik und Angewandte Naturwissenschaften am Campus Wels. Mit 75 Bachelor- und Masterstudiengängen, von denen 32 berufsbegleitend studiert werden können, offeriert die FH OÖ ein breitgefächertes Angebot an praxisorientierten und innovativen Studiengängen. Weitere Informationen sind auf der Website zu finden: Fachhochschule Oberösterreich.
FH-Prof. PD Dr. Jaroslaw Jacak vom Department Medizintechnik freut sich über die Eröffnung des von ihm geleiteten Josef Ressel-Zentrums Bildquelle: B. Plank - imBILDE.at