Startschuss für Josef Ressel Zentrum am FH OÖ Campus Steyr
Neue Geschäftsmodelle für Produktionsunternehmen: „Service is our (future) success“
Wie können erfolgreiche Produktionsunternehmen ihre aktuell solide Wettbewerbsposition sicherstellen? Das „beste“ Produkt am Markt anzubieten, ist für Produktionsunternehmen nicht mehr ausreichend, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Das neue Josef Ressel Zentrum für Datengetriebene Geschäftsmodellinnovation soll darauf Antworten geben. Forscher*innen der FH OÖ in Steyr erarbeiten Modelle und Methoden, wie etablierte Produktionsbetriebe ihre digitale Transformation service- und kund*innenorientiert gestalten und neue Wertangebote für (neue) Kund*innen konzipieren können. Als Top-Partner sind die Unternehmen Miba, PÖTTINGER und TIGER Coatings mit an Bord. Das neue Forschungszentrum wird vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) gefördert.
Wollen etablierte produzierende Unternehmen weiterhin an der Spitze bleiben, ist es zwingend notwendig, ihre Leistungen erfolgreich digital zu transformieren. Bis jetzt konnten sie sich mit ihren Produkten über Qualität, Service und Technologieführerschaft gegenüber Mitbewerbern differenzieren. Im digitalen Zeitalter reicht das nicht mehr aus, denn die Kund*innenanforderungen werden komplexer.
Ein Umdenken und ein veränderter Fokus sind notwendig. „Nicht das physische Produkt wird den Hauptumsatz bringen, sondern intelligente Serviceorientierung. Der Kunde will unter Nutzung der Digitalisierung seine Aufgabe, seinen Bedarf erledigt wissen. Er will ein Ziel erreichen, Probleme sollen für ihn gelöst werden oder er sucht Entscheidungshilfen“, sagt Herbert Jodlbauer: Der FH-Professor für Produktionswirtschaft am FH OÖ Campus Steyr ist Leiter des Josef Ressel Zentrums für Datengetriebene Geschäftsmodellinnovation, das kürzlich aus der Taufe gehoben wurde.
Arbeits- und Wirtschaftsministerium fördert Spitzenforschung
Im neuen Josef Ressel Centre for Data-Driven Business Model Innovation am FH OÖ Campus Steyr sollen Modelle, Methoden und betriebswirtschaftliche Werkzeuge entwickelt werden, mit denen etablierte Produktionsbetriebe über ihre Produkte hinaus innovative Wertangebote für ihre Kund*innen konzipieren können. Neue digitale Services sollen das Portfolio erweitern, neue Zielgruppen und Märkte angesprochen und gleichzeitig nachhaltiges Wirtschaften sichergestellt werden. Neben dem neunköpfigen Forschungsteam der FH Steyr, das zudem mit internationalen universitären Partnern kooperiert, sind diverse Spezialist*innen dreier großer Industrieunternehmen am Projekt beteiligt. Mit dabei sind der Industrie- und Technologiekonzern Miba aus Laakirchen, der Landmaschinenproduzent PÖTTINGER aus Grieskirchen sowie TIGER Coatings, der Welser Hersteller von Pulverlacken, digitalen Tinten und Pulvern sowie Druckmaterialien für den SLS 3D-Druck. Die Finanzierung erfolgt zu 50 % durch das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) und zu 50 % durch die drei Unternehmenspartner. Die FH OÖ, Campus Steyr, Forschungsgruppe Produktion unter der Leitung von Prof. Jodlbauer ist Träger des Josef Ressel Zentrums und die Christian Doppler Gesellschaft (CDG) fördert die Forschungskooperation und ist für die Forschungsförderungsabwicklung zuständig.
„Österreich ist die Heimat zahlreicher hervorragender Produktionsunternehmen", betont Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher. „Doch auch etablierte Unternehmen müssen sich laufend weiterentwickeln, aktuell besonders im Bereich der digitalen Transformation. Hier setzt das neue JR-Zentrum an und erforscht, wie zum Beispiel die zielgerichtete und effiziente Nutzung von Daten oder maschinelles Lernen für die erfolgreiche Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen eingesetzt werden können. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen."
Neue Modelle für grundverschiedene Ansprüche
Datengetriebene Geschäftsmodelle müssen je nach Branche individuell auf die sich wandelnden Kund*inneninteressen zugeschnitten sein: Der Maschinenbau mache es beispielsweise vor. Jodlbauer, der neben dem neuen Forschungscenter auch die beiden Studiengänge Smart Production und Management sowie Operations Management leitet, nennt einen Trend: „Stark im Kommen sind so genannte outcome-basierte Modelle. Der Kunde kauft die Maschine nicht, sondern zahlt nur für das Ergebnis, etwa die Stückzahl, die von der Maschine produziert wird.“ Im Wandel befindet sich auch die Rolle der Automobilhersteller. Denn nicht alle aus der nachwachsenden Generation wollen ein Auto besitzen. Vielmehr reicht es ihnen, bei Bedarf ein passendes Auto bereit gestellt zu bekommen – Stichwort: „sharing-Modelle“.
„Das Thema datengetriebene Geschäftsmodelle für Produktionsunternehmen hat besonders in unserem produktionsstarken Bundesland Oberösterreich eine sehr hohe Relevanz. Mit dem neuen Josef Ressel Zentrum ist der FH OÖ Standort Steyr einmal mehr Innovationstreiber in Sachen Digitalisierung und kann unserer Industrie einen enormen Wettbewerbsvorteil und Qualitätsvorsprung sichern“, betonte Wirtschafts- und Forschungs-Landesrat KommR Markus Achleitner anlässlich der Eröffnung.
Top-Partner sind die Unternehmen Miba, PÖTTINGER und TIGER Coatings
So haben auch die drei Unternehmenspartner des Josef Ressel Zentrums unterschiedliche Erwartungen an die Forschungszusammenarbeit. Die Miba AG folgt seit ihrer Gründung einem lösungsorientierten und effizienzsteigerndem Ansatz, denn bereits früh wurden technologisch anspruchsvolle Komponenten für Fahrzeuge entwickelt, die maßgeblich den Verbrauch reduzierten. Das Familienunternehmen setzt auf die Diversifikation der Geschäftsbereiche entlang der gesamten Energie-Wertschöpfungskette (Gewinnung, Übertragung, Speicherung und Verwendung) in Verbindung mit kundenfreundlichen digitalen Services. Es gibt zwei Bereiche in denen Digitalisierung zum langfristigen Unternehmenserfolg beiträgt: „Manufacturing Efficiency“ – also die effiziente Gestaltung von Produktionsabläufen und Qualitätsprüfungen – und „Digital Customer Experience“ – Die Weiterentwicklung der Kundenschnittstellen, um die Zusammenarbeit und gemeinsame Entwicklung von neuen Produkten für Kunden in existierenden und neuen Märkten reibungslos und intuitiv zu gestalten.
Bei PÖTTINGER wiederum geht die Zukunft in Richtung intelligente Technologien bei der Feldbearbeitung, die beispielsweise automatisch Daten über die Bodenbeschaffenheit sammeln. Darauf basierend werden Entscheidungen vom System vorgeschlagen und die Landwirtin oder der Landwirt bestimmt, ob und welche Anpassungen sie oder er vornehmen möchte. Auf dem Feld gesammelte Daten können mit anderen Steuerungsprozessen, die in einem landwirtschaftlichen Betrieb ablaufen, kombiniert werden. Die Kundschaft von PÖTTINGER soll so in Zukunft von ihren eigenen Daten profitieren: Intelligente Maschinen sorgen für mehr Komfort bei der Arbeit und intelligente Lösungen erleichtern den gesamten Arbeitsprozess. Somit läuft alles reibungslos, da die Zeit während der Ernte oder Aussaat ohnehin knapp ist.
Etwas andere Impulse erwartet sich der Pulverlackspezialist TIGER Coatings, der unter dem strategischen Ziel GREEN TIGER zum einen an „Advancing Circularity“ arbeitet und das Thema Nachhaltigkeit auch klar in den Mittelpunkt seiner Produktentwicklung stellt. Anhand von datenbasierten Modellen sollen Kundenwünsche und Marktrends erkannt und in die Entwicklung grüner Produkte integriert werden. Ebenfalls in Planung: das TIGERverse, ein virtueller Designroom für CMF-Designer*innen und Architekt*innen, in dem rund um die Uhr auf digitale Finishes in noch nie dagewesener realistischer Anmutung zugegriffen werden kann und Farben, Effekte, Glanzgrade sowie Strukturen in brillanter Augmented Reality aus allen Blickwinkeln betrachtet werden können. Digital Master und der final beschichtete „analoge Zwilling“ beeindrucken dabei durch täuschende Ähnlichkeit.
Mehr als 25 Jahre Produktionsforschung am FH OÖ Campus Steyr
Mit der Gründung des ersten Fachhochschulstudienganges „Produktion und Management“ wurde sukzessive die Produktionsforschung an der FH OÖ Campus Steyr etabliert und zu einer international angesehen Institution ausgebaut. Mit dem Bachelorstudiengang „Smart Production und Management“ sowie dem Masterstudiengang „Operations Management“ zählt Steyr zu den ersten Adressen in der hochschulischen Produktionsausbildung. In zahlreichen Forschungsprojekten wurden neue Methoden für die Planung und Steuerung der Produktion, zur Optimierung von Produktionsprozessen sowie zur digitalen Transformation von Produktionsunternehmen erarbeitet, evaluiert und Unternehmen zur erfolgreichen Implementierung bereitgestellt. Die Forschungsgruppe Produktion ist eine der tragenden Säulen des „Center of Excellence for Smart Production“ an der FH OÖ, dessen jährliches Forschungsbudget über 5 Millionen € beträgt und das somit das größte österreichische Forschungszentrum an einer Fachhochschule zum Thema Produktion ist.
Factbox “Josef Ressel Centre for Data-Driven Business Model Innovation” Fördergeber: Bundesminsterium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) Förderabwicklung: Christian Doppler Gesellschaft (CDG) Unternehmenspartner: Miba, PÖTTINGER und TIGER Träger: FH OÖ Campus Steyr, Forschungsgruppe Produktion Leitung: FH-Prof. DI Dr. Herbert Jodlbauer Forschungsbudget: 2 Millionen € Laufzeit: 5 Jahre https://coe-sp.fh-ooe.at/proje...
Das Forschungsprogramm ist auf fünf Jahre ausgelegt. Die gewonnenen Erkenntnisse stehen danach weiteren interessierten Unternehmen zur Verfügung. Während der Projektlaufzeit werden die entwickelten Modelle und Methoden in Pilotprojekten mit den Unternehmenspartnern validiert sowie Zwischenergebnisse in wissenschaftlichen Journalen publiziert. Nach dem Ende des Forschungsprogramms ist eine Weiterführung der Forschung und Beantragung von thematisch nachfolgenden Projekten geplant.
Infobox „Josef Ressel Zentren“
In Josef Ressel Zentren wird anwendungsorientierte Forschung auf hohem Niveau betrieben, hervorragende Forscher*innen kooperieren dazu mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice Beispiel. Josef Ressel Zentren werden vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert.