Junge Forscherin macht Defekte in der Mikrostruktur faserverstärkter Kunststoffe sichtbar
Julia Maurer (28) blickt am FH OÖ Campus Wels mittels Röntgen-Computertomographie ins Innerste von faserverstärkten Kunststoffen. Für ihre Dissertationsarbeit analysiert und charakterisiert sie Schädigungen im Material. Bei diesem Forschungsprojekt ziehen die wissenschaftlichen Institutionen FH OÖ und JKU mit dem Linzer Industriepartner Borealis Polyolefine an einem Strang.
Faserverstärkte Kunststoffe sind hochbelastbare Werkstoffe, die heute in vielen Bereichen und Branchen eingesetzt werden. Sie gelten als Schlüsseltechnologie für innovativen Leichtbau. Dementsprechend steigen die Anforderungen an die Materialien, die keinerlei Schädigungen aufweisen sollten. Hier hakt die 28-jährige Forscherin Julia Maurer ein, indem sie sich am FH OÖ Campus Wels mit der Mikrostruktur von faserverstärkten Kunststoffen auseinandersetzt. Ihr wichtigstes Utensil ist der industrielle Röntgen-Computertomograph. Dieser erlaubt im Gegensatz zum medizinischen Gerät bis zu 100-mal höhere Auflösungen. Es handelt sich um ein zerstörungsfreies Verfahren, mit dem sich das Innere eines Bauteils sehr genau dreidimensional darstellen lässt.
Ziel von Maurers Dissertationsarbeit ist es, Methoden zu entwickeln, mit denen auf Basis von CT-Daten Defekte, wie Risse oder Faserbrüche, charakterisiert werden können. In Bezug auf weitere Mikrostrukturmerkmale, wie etwa Faserlängen- und Faserorientierungsverteilung, soll mit diesen Methoden auch die Entstehung und Ausbreitung der Defekte vorhergesagt bzw. verfolgt werden. Gleichzeitig können Teile dieser Ergebnisse auch in mechanische Simulationen einfließen und diese verbessern.
„Um Schädigungen charakterisieren zu können, muss ich die Mechanismen im Material verstehen lernen“, sagt Maurer. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin seit Jänner 2019 an ihrem Projekt mit dem Titel „Damage characterization of fibre reinforced polymers by X-ray computed tomography“. Die Laufzeit beträgt vier Jahre.
Für diese Auftragsforschung sind drei Projektpartner an Bord: Die FH OÖ kooperiert mit dem Institut für Polymer Product Engineering unter der Leitung von Univ.-Prof. Zoltan Major an der Johannes Kepler Universität und mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Borealis Polyolefine GmbH in Linz. Erstbetreuer der Dissertation ist Professor Major. Als Zweitbetreuer und Projektleiter fungiert FH-Professor Johann Kastner. Dietmar Salaberger von Borealis ist Co-Supervisor. „Diese starke Dreierkonstellation hilft mir, mit meiner Forschungsarbeit voranzukommen“, sagt Maurer.
Als Frau in der Technik längst nicht mehr allein
Die gebürtige Ebenseerin entschied sich früh für eine technische Laufbahn. Maurer war eines der wenigen Mädchen, die ein Gymnasium mit Schwerpunkt EDV besuchte. Danach ging sie nach Braunau, um an der HTL den Zweig Mechatronik und Automatisierungstechnik zu absolvieren. „Ich war das einzige Mädchen in der Klasse“, erinnert sie sich. An der TU Wien folgte ein Bachelorstudium in Technischer Physik und die Masterausbildung in Biomedical Engineering mit Schwerpunkt Medizinische Physik und Bildgebung. Maurer: „Nun kann ich für meine Dissertation meine Interessen für Physik, Medizintechnik und Materialwissenschaften kombinieren.“
Die Forschungsgruppe Computertomographie am FH OÖ Campus Wels ist eine 15-köpfige Gruppe, davon sechs Frauen, die Computertomographie an verschiedensten Materialien und Bauteilen durchführen. Die Forschungsgruppe von Prof. Major am IPPE der JKU Linz besteht aus drei Post-Docs (2+1), neun Dissertant*innen (6+3) und 12 Forschungsstudent*innen (9+3).
„Neben exzellenter Forschung wird Diversität an der Fachhochschule Oberösterreich großgeschrieben. Zum einen wollen wir in einem ersten Schritt gezielt Schülerinnen für unsere technischen Studiengänge begeistern, zum anderen unterstützen wir Forscherinnen, die sich mit ihren Qualifikationen aktiv in die Forschung einbringen. Julia Maurer leistet mit ihren fundierten Kenntnissen und Fähigkeiten einen wertvollen Beitrag, die Forschung voranzutreiben“, zeigt sich FH-Professor Kastner überzeugt.