Interdisziplinäre Forschungszusammenarbeit am Campus Wels
Am FH OÖ Campus Wels startet ein mit 2,3 Mio. Euro vom Land Oberösterreich gefördertes Forschungsprojekt zum Thema „Nachhaltige Nutzung von Kunststoffen durch verbesserte Recyclingmethoden und recyclinggerechte Gestaltung“. 16 Forscher*innen aus den Bereichen Kunststoffverarbeitung, Oberflächentechnik und Produktentwicklung befassen sich unter der Leitung von FH-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr.mont. Gernot Zitzenbacher mit drei unterschiedlichen Lösungsansätzen, die zur nachhaltigen Nutzung von Kunststoffen und Kunststoffprodukten beitragen. Ein Bereich befasst sich mit dem Recycling von schwer recyclebaren Kunststoffprodukten, wie etwa Mehrschichtverpackungen. Der zweite Bereich behandelt die Vermeidung solcher Verpackungen bzw. deren Ersatz durch die Beschichtung von Kunststofffolien und der dritte die ganzheitliche Betrachtung der Kunststoff-Produktlebenszyklen.
Kunststoffe waren und sind für den technischen Fortschritt und unseren heutigen Lebensstil mitbestimmend. Sie werden nicht nur für Verpackungen eingesetzt, sondern sind auch in vielen anderen Bereichen wie Medizintechnik, Mobilität, Bauwesen, Freizeit und Sport unverzichtbar.
Die Kunststoffprodukte haben je nach Einsatzgebiet einen unterschiedlich langen Lebenszyklus. Insbesondere Verpackungen werden derzeit überwiegend nur einmal verwendet (Einwegverpackungen). 29,1 Mio. Tonnen Kunststoffabfall wurden 2018 in Europa gesammelt, wovon 32,5 % recycelt und der übrige Anteil einer energetischen Nutzung oder Deponierung zugeführt wurde. In Österreich liegt der Anteil recycelter Kunststoffverpackungen deutlich unter dem EU-Schnitt und ist noch weit entfernt von der EU-Direktive, die Recyclingziele von 50 % ab 2025 und 55 % ab 2030 beinhaltet. Das soll unter anderem durch einen höheren Rezyklatanteil in Verpackungen erreicht werden.
Nachhaltige Nutzung von Kunststoffen
Im vier Jahre laufenden Forschungsprojekt „NaKuRe“ beschäftigen sich die Welser Forscher*innen mit der nachhaltigen Nutzung von Kunststoffen durch verbesserte Recyclingmethoden und recyclinggerechte Gestaltung. Das Projekt wird vom Land Oberösterreich mit 2,3 Mio. Euro in der Förderschiene „Stimulierung der Erschließung / Erweiterung von zukunftsweisenden Forschungsfeldern bei den oö. außeruniversitären Forschungseinrichtungen“ gefördert.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
„Damit die Rezyklate verwendet werden können, müssen sie eine entsprechend hohe Qualität aufweisen. Es wurden in unserem Forschungsprojekt wesentliche Problemstellungen identifiziert, deren Lösung in weiterer Folge wesentlich zum Erreichen einer besseren Rezyklatqualität und höheren Recyclingquote beitragen sollen“, erklärt Projektleiter FH-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr.mont. Gernot Zitzenbacher und führt weiter aus: „Die Forschungsinhalte zeichnen sich durch hohe Interdisziplinarität aus. Diese erfolgt durch die ganzheitliche, synergetische Zusammenarbeit der am Campus Wels etablierten Forschungsgruppen aus Kunststoffverarbeitung (Leitung FH-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr.mont. Gernot Zitzenbacher), Oberflächentechnik (Leitung FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Daniel Heim) und Produktentwicklung (Leitung FH-Prof. Priv.-Doz. DI Dr. Peter Hehenberger). Wir planen dazu ein Kompetenzzentrum zum Thema Materialwissenschaften am FH OÖ Campus Wels aufzubauen.“
Sortenreinheit entscheidend für Weiterverarbeitung
Kunststoffprodukte bestehen oftmals aus unterschiedlichen Kunststoffen bzw. Kunststoffschichten, in denen Additive und Füllstoffe enthalten sowie auch Verbunde mit anderen Materialien sein können. Diese Heterogenität erschwert das Recycling enorm und führt oft zu verminderten Eigenschaften der Rezyklate. Recyclingkunststoffe sind aber oft für Produkte ungeeignet, da sie im Vergleich zu Neuware stark schwankende sowie verminderte Eigenschaften aufweisen können.
„Im Rahmen des Forschungsprojektes beschäftigen wir uns mit der Modellierung eines Prozessschrittes der Wiederaufbereitung von gemischten Kunststoffaltstoffen. Alle bisherigen Berechnungsmodelle bauen darauf auf, dass man reines Rohmaterial verarbeitet. Im Recyclingbereich liegt aber in der Regel eine Mischung aus unterschiedlichen Kunststoffen vor. Die einzelnen Schichten mehrschichtiger Kunststoffprodukte sind oft nur wenige Mikrometer dick und können nur mit einem hohen technischen Aufwand in die Einzelmaterialien aufgetrennt werden. Wir arbeiten nun an einem Berechnungsmodell für das Plastifizieren von gemischten Kunststoffaltstoffen in extrusionsbasierten Recyclingprozessen zur Erzielung einer verbesserten Rezyklatqualität“, berichtet Zitzenbacher.
Neue Beschichtungen für Verpackungsfolien
Um die Haltbarkeit von Lebensmitteln und Getränken zu verlängern, werden im Bereich der Verpackungen vielfach Mehrschichtfolien eingesetzt, die die Diffusion von Sauerstoff, Kohlendioxid und Wasserdampf durch die Verpackung stark reduzieren bzw. die ausgeprägte Barriereeigenschaften besitzen. Durch den dabei verwendeten Materialmix ist ein Recycling sehr erschwert.
„In einem alternativen Forschungsansatz nach dem Prinzip „Design for Recycling“ sollen die Barriereeigenschaften bei Kunststoffprodukten durch Beschichtungen aus DLC- oder Siliziumoxid erreicht werden. Die optimalen Schichtdicken liegen dabei nur bei 10 nm bzw. unter 100 nm und somit weit unter der Dicke von Folien oder Flaschen aus Kunststoffen. Beim Recyceln dieser Kunststoffe dürfte daher der Anteil dieser Schichten nur einen geringen Einfluss haben und das Kunststoffrezyklat als beinahe sortenreiner Kunststoff betrachtet werden können“, erklärt FH-Prof. DI Dr. Daniel Heim.
Kunststoffkreisläufe optimieren
Neben den technischen Anforderungen müssen Kunststoffprodukte auch immer mehr ökologische Eigenschaften erfüllen. Diese werden durch gesetzliche Rahmenbedingungen vorgeschrieben. „Um die Erfolgswahrscheinlichkeit zur Erreichung der geforderten Eigenschaften von neuen Produktionskonzepten früh abschätzen zu können, ist es erforderlich, auf angepasste Life Cycle-Assessment-Modelle zuzugreifen, um Umwelt-Aspekte und CO2-Reduktion bei der Herstellung sowie die Recyclingfähigkeit abbilden zu können. Aus den gewonnenen Erkenntnissen erfolgt die Ableitung von wissensbasierten Richtlinien und Konstruktionsregeln für die Entwicklung der Produkte und Produktionssysteme sowie Handhabung der Produktions-/Recyclingprozesse. Dies ist ein weiterer Schwerpunkt im Forschungsprojekt“, so FH-Prof. Priv.-Doz. DI Dr. Peter Hehenberger.
Forschungsprojekt auch für Studierende nützlich
Werkstoffwissenschaften & Fertigungstechnik- und Maschinenbau-Studierende profitieren von diesem neuen Forschungsprojekt. Sie können im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten an konkreten Teilaufgaben arbeiten. Derzeit läuft die heiße Bewerbungsphase für die FH-Studienrichtungen. Interessierte finden Infos unter www.fh-ooe.at/wft und www.fh-ooe.at/mb