Implantat für Schädeldefekte – so exakt an Patient*innen angepasst, wie nie zuvor
Basierend auf der Masterarbeit von Claudia Wittner (26), die ihr Medizintechnik-Bachelor- und Masterstudium am Campus Linz der FH OÖ absolvierte, beschäftigte sich das CT-Forschungsteam am FH OÖ Campus Wels mit virtuell konstruierten Schädelimplantaten. Das Besondere daran ist die Einbeziehung der individuell unterschiedlichen Schädeldicken von Menschen – ein Forschungsbereich, dem die Wissenschaft noch zu wenig Augenmerk schenkt. Wittner analysierte unter der Leitung von Sascha Senck unterschiedliche Ansätze und stieß auf eine Methode, mit der die patientenspezifische Dickenverteilung der betroffenen Schädelregion virtuell exakt nachgebildet werden kann.
Der Verlust eines Schädelknochens aufgrund von Schädeltraumata, Krankheiten oder Unfällen erfordert eine adäquate Behandlung. Die Kombination computergestützter Designtechniken (CAD) auf der Grundlage von Computertomographie (CT), wird seit Jahrzehnten eingesetzt, um patientenspezifische Implantate zu erstellen. Großflächige Schädeldefekte sind oftmals schwer zu rekonstruieren und es bedarf zusätzlicher Berücksichtigung der patientenspezifischen Schädelgeometrie sowie Knochendicke. Je akkurater das Implantat den ursprünglichen Schädelknochen nachbildet, umso wohler fühlt sich der*die Patient*in damit. Infektionen und Funktionsstörungen können verhindert werden. Da die Geometrie jedes Schädels einzigartig ist, gewinnen patientenspezifische Implantate zunehmend an Wichtigkeit. Daten werden mittels micro-CT aufgenommen und mit Softwaretools für die Schädelrekonstruktion aufbereitet. Im Rahmen des Projektes werden zwei Ansätze gegenübergestellt: Computer-Aided Design (CAD) versus thin-platespline (TPS).
„Uns ging es speziell darum, die Dicke des Implantats exakt anzupassen, denn ein Schädelknochen ist nicht überall gleich. Im Stirnbereich kann er etwa sechs Millimeter stark sein, seitlich bei den Ohren wiederum nur zwei bis drei Millimeter. Das sollte auch beim Implantat bedacht werden“, sagt Wittner, die heute in Wels an der Fakultät für Technik und angewandte Naturwissenschaften der FH OÖ als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und Mitglied des 21-köpfigen Forschungsteams ist.
Für die Evaluierung der Rekonstruktionsansätze werden CT-Daten von kompletten menschlichen Schädeln (Cranium) verwendet. Mittels CAD-Programm wird virtuell ein Schädeldefekt generiert und dieser anschließend rekonstruiert. Die Information über den künstlichen Schädeldefekt basiert auf realen Fällen. Wittner: „Da wir die ursprüngliche Ausgangslage an Informationen hatten, konnten wir vergleichen, wie genau wir mit unseren Ansätzen arbeiten konnten.“ Bei Personen, die etwa durch einen Unfall schwere Schädelverletzungen erleiden, seien jedoch zumeist keine genauen Informationen über die ursprüngliche Dicke der Schädeldecke bekannt. Abhilfe schafft hier ein Datenpool aus diversen Schädel-CT-Aufnahmen. Zum einen kann aus diesem Datenpool ein Schädel als Referenz herangezogen werden, dessen geometrische Merkmale dem aktuellen Fall ähneln. Zum anderen kann aus diesen Daten eine „gemittelte Schädelform“ erstellt werden, die die geometrischen Merkmale vereint und ebenfalls für Rekonstruktionen herangezogen werden kann. Bei dem TPS-Ansatz wurde nicht nur die äußere Schädelgeometrie, sondern auch die innere Schädelfläche mit virtuell gesetzten Punkten, so genannten Landmarks, berücksichtigt.
Wittner: „Wir haben in diesem Projekt gezeigt, dass wir auf virtueller Ebene mit CAD und CT sehr akkurate Implantate designen und planen können.“ Auf diesen Erkenntnissen aufbauend soll das Implantat in einem Folgeprojekt, z.B.: im Interreg-Projekt ImageHeadstart (ATCZ215), mittels 3D-Druck hergestellt und in weiterer Folge im Hinblick auf die Genauigkeit analysiert werden. Dann wird sich zeigen, ob sich eine derart exakte Planung auch in gleichwertig hoher Qualität am reellen Implantat umsetzen lässt.
Programmierbegeisterte Forscherin
Für die 26-jährige Claudia Wittner ergab sich durch ihr Masterprojekt die erstmalige Chance, richtig in die Forschung hineinzuschnuppern. „Während meiner Masterarbeit habe ich diverse, für mich neue Programme kennengelernt. Zusätzlich konnte ich mir dabei eine neue Programmiersprache aneignen“, sagt Wittner. An der Medizintechnik reizt sie vor allem die Kombination aus Informatik, Mechanik und Mathematik, bzw. was Medizintechnik ausmacht und das ist die Verbindung von Mensch und Technik“, so die Mühlviertlerin aus Klaffer am Hochficht, die heute in Linz lebt. Auch vom regen Austausch in der 21-köpfigen Forschungsgruppe kann Wittner nur profitieren. „Wir sind ein bunter Haufen und lernen voneinander.“ Wittner will jedenfalls noch einige Zeit in der Medizintechnik-Forschung bleiben und sich da speziell mit ihrer Leidenschaft, dem Programmieren, einbringen.