Hagenbergs Fachhochschule forscht, wie sicheres autonomes Fahren möglich wird
Emails schon während der Fahrt in die Arbeit sichten, die Zeitung lesen oder einen Videocall machen: All das soll künftig durch hochautomatisierte Autos, die zeitweise bestimmte Fahraufgaben übernehmen können, möglich werden. Forscher*innen vom Campus Hagenberg der FH Oberösterreich (FH OÖ) untersuchen derzeit gemeinsam mit ihren Studierenden und der TH Ingolstadt, wie solche Tätigkeiten sicher in Autofahrten integriert werden können und wie sich das auf den Straßenverkehr auswirken würde.
Im Projekt AutoSimAR gehen sie konkret der Frage nach, wie mit anderen Tätigkeiten beschäftigte Lenker*innen zeitgerecht wieder die Kontrolle über das selbstfahrende Fahrzeug übernehmen können, wenn dieses durch eine Gefahrensituation überfordert ist.
"Besonders vielversprechend sind in diesem Zusammenhang Windshield-Displays, bei denen die Inhalte auf der Windschutzscheibe angezeigt werden", erklärt Andreas Riegler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am FH OÖ Campus Hagenberg, der das Projekt gemeinsam mit Gerald Ostermayer, dem Leiter des Bachelorstudiums "Automotive Computing", koordiniert.
Auch FH-Studierende wie Victoria Oberascher und Marcel Ciesla forschen mit. Für die beiden Alumni von Ostermayers Studiengang Automotive Computing, die wissenschaftliche Mitarbeiter*innen in seiner Forschungsgruppe Networks & Mobility sind und mittlerweile den weiterführenden Master in MobileComputing in Hagenberg erfolgreich abgeschlossen haben, ist das eine tolle Erfahrung. „Wir können unser Wissen für die Forschung einsetzen und die Autos der Zukunft mitgestalten", sagen die beiden begeistert.
Virtual Reality Tests und Mikro-Verkehrs-Simulationen
Gemeinsam messen sie, wie lange Testpersonen brauchen, um ihre Konzentration von den Inhalten auf dem Bildschirm wieder auf die Straße zu richten und das Steuer zu übernehmen, wenn das selbstfahrende Auto eine Notsituation meldet. Dazu müssen die Proband*innen in einem Virtual-Reality-Simulator Szenarien aus dem Straßenverkehr durchspielen.
„Sie absolvieren verschiedene Aufgaben wie beispielsweise Emails lesen. Dabei wird die Information auf verschiedene Weise auf der Windschutzscheibe angezeigt", erklärt Andreas Riegler. So wird zum Beispiel die Mail-App einmal oberhalb des Lenkrad-Bereichs auf der Windschutzscheibe dargestellt und ein anderes Mal in genau jenem Scheibenbereich, in welchem das Heck eines vor dem Auto fahrenden Fahrzeugs sichtbar ist. Durch die unterschiedliche Platzierung könnte die Reaktionszeit verbessert werden.
Mit diesen Erkenntnissen aus dem Virtual Reality Fahrsimulator allein lässt sich aber noch nicht sagen, wie sich das Fahrverhalten auf den Straßenverkehr auswirkt. Dazu werden die aus den VR-Experimenten gewonnenen Daten in einen Mikro-Verkehrs-Simulator eingespeist, mit welchem unterschiedliche Verkehrssituationen mit mehreren 1.000 Fahrzeugen getestet werden. Dieser modelliert für die einzelnen Autos verschiedene Reaktionszeiten und wie sich diese auf den nachfolgenden Verkehr, beispielsweise eine Autokolonne, auswirken.
„Wir simulieren etwa, dass ein Auto vorne in der Kolonne leicht bremsen muss. Sind die Reaktionszeiten zu lang, kann es sein, dass Autos weiter hinten eine Vollbremsung hinlegen müssen“, sagt Ostermayer.
Forschung für die Autos der Zukunft
Anhand vordefinierter Kriterien wird festgestellt, ob durch das unterschiedliche Nutzungsverhalten gefährliche Situationen im Straßenverkehr entstehen könnten. Dadurch soll ermittelt werden, welche Windschutzscheiben-Displays künftig bei hochautomatisiertem Fahren auf „Level 3“ in der Praxis zur Anwendung kommen könnten – jenem Level, bei welchem Lenker*innen zeitlich begrenzt die Kontrolle ans Auto abgeben und ihre Aufmerksamkeit auf gewisse andere Tätigkeiten richten dürfen.
Erste Level-3-PKWs sind in einigen Ländern, wie Deutschland und den USA, bereits zugelassen. "Vorerst wird das Fahren mit diesen aber nur auf der Autobahn möglich sein – dort gibt es keine Kreuzungen und keinen Gegenverkehr", sagt Ostermayer.
Die Erkenntnisse aus dem noch ungefähr ein Jahr laufenden Projekts AutoSimAR werden jedenfalls Entwickler*innen und Designer*innen in der Automotive Branche zur Verfügung gestellt, damit diese rasch sichere Anwendungen für hochautomatisiertes Fahren entwickeln können.
Mit dem Thema autonomes Fahren beschäftigen sich auch verschiedene weitere Projekte am Bachelor-Studiengang Automotive Computing, für den sich Interessierte, die im Herbst ins Studium starten wollen, noch bis 31.8. bewerben können.