Hagenberg erste Hochschule mit IT-Security Gütesiegel für kritische Infrastrukturen
Nach der größten US-Pipeline Colonial haben Hacker Anfang Juni die US-Tochterfirma des weltgrößten Fleischkonzerns JBS angegriffen – mit nicht weniger weitreichenden Folgen. Im fernen Australien wurde dadurch der Schlachtbetrieb lahmgelegt und 10.000 Beschäftigte ohne Lohnausgleich nach Hause geschickt. Wie wichtig der Schutz kritischer Infrastrukturen (kurz KRITIS) ist, zeigt auch eine neues IT-Security Gütesiegel der EU – und eben dieses wurde der FH OÖ Campus Hagenberg als erste Hochschule in Europa zuerkannt.
„Die Lage ist ernst. Weltweit steigen die Fälle von Cyberangriffen, auch in Österreich, und immer öfter sind davon auch Betreiber wesentlicher Dienste betroffen, die für die Aufrechterhaltung der Energieversorgung, Gesundheit, der Sicherheit und des wirtschaftlichen oder sozialen Wohlergehens, wie Trinkwasser oder auch Lieferketten z. B. im Lebensmittelbereich, essenziell sind“, bestätigt FH-Prof. DI Robert Kolmhofer, Leiter des FH OÖ Departments Sichere Informationssysteme in Hagenberg. „Deswegen braucht es IT-Sicherheitsexpert*innen, die neben Daten auch kritische Infrastruktur schützen können.“
Auch der größte Kompetenzverbund für IT-Sicherheit in Deutschland und Europa, der Bundesverband IT-Sicherheit e.V. (TeleTrusT), hat die Zeichen der Zeit erkannt – und anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 und vor dem Hintergrund der Debatte über europäische digitale Souveränität das Gütesiegel “IT Security made in EU” etabliert.
Dieses Vertrauenszeichen soll bei Ausschreibungen für IT-Infrastrukturschlüsselkomponenten unterstützen, die richtigen Partner zu finden. Es wird jenen Unternehmen in der EU verliehen, die vertrauenswürdige IT-Sicherheitslösungen anbieten, IT-Sicherheitsforschung und -entwicklung in der EU betreiben und den Anforderungen der EU-Datenschutz-Grundverordnung genügen. Eben dieses Siegel wurde nun der FH OÖ Fakultät Hagenberg, konkret dem Department Sichere Informationssysteme, als erster Hochschule Europas zuerkannt. Seit über 20 Jahren bildet dieses Department Spezialist*innen für Informationssicherheit aus und widmet sich in Ausbildung wie Forschung auch verstärkt dem Schutz kritischer Infrastrukturen.
„Im neuen Curriculum für den Bachelor Sichere Informationssysteme gibt es dieses Thema und Industrial Security als Pflichtfach“, sagt Kolmhofer. „Auch im Vollzeit-Masterstudium Sichere Informationssysteme und in Information Security Management, unserem berufsbegleitenden Master mit Fernlehre-Elementen, ist Critical Infrastructure Protection seit 2015 Pflichtfach. In letzterem Studiengang werden in einer Praxis-Lehrveranstaltung konkrete Fallbeispielumsetzungen von einem CISO aus dem Energieversorgungsbereich als Lektor behandelt.” Mehrere Security Spezialist*innen aus dem Betreiberbereich kritischer Infrastrukturen lehren branchenspezifische Sicherheitsstandards.
Die Expertise des Departments fließt zudem in die Hagenberger Studiengänge Automotive Computing (Bachelor) und Energy Informatics (Master) ein, wo unter anderem vernetzte und (teil)autonome Fahrzeuge, Drohnen, Fahrzeug-Security und Smart City Infrastrukturen im Fokus stehen.
Die Studierenden profitieren auch von der top Ausstattung an der Fachhochschule. „Mit einer AtoS QLM30 Quantensimulationsmaschine können wir die Basics der Quantencomputerprogrammierung in die Ausbildung integrieren und neue Algorithmen und Verfahren und somit Angriffsvektoren, die durch Quantencomputer ermöglicht werden, schon jetzt den Studierenden näherbringen“, so Kolmhofer. Mit der Anschaffung eines NVIDIA DGX A100 Supercomputers in Ergänzung zu einer bestehenden NVIDIA DGX-1 verfügt das Department zudem ab dem Sommer über zwei High-Performance-Supercomputer für die Behandlung von IT-Security-Problemstellungen im Big-Data-Bereich sowie Anwendungen im Bereich Künstliche Intelligenz.
Ein eigenes Lab wurde als Forensik Labor für die Incident Analyse ausgestattet, ein weiteres als 100%-iges Smart-Home, wo im Live-Einsatz IoT-Devices vom Plüschtier bis zur Cloud-basierenden Smart-Home Lösung hinsichtlich IT-Security untersucht und verbessert werden. „Optimales Training für den Ernstfall also“, wie Kolmhofer unterstreicht.