FH OÖ Analyse: Wie wirkte sich Corona auf den österreichischen Lebensmittelhandel aus
Forscher*innen des Logistikum der FH OÖ Campus Steyr untersuchten die Frage, wie sich die Corona-Krise und die damit verbundenen Restriktionen auf die Kundenzufriedenheit im österreichischen Lebensmittelhandel ausgewirkt haben. Dazu wurden Daten zu den fünf Big Playern am österreichischen Lebensmittelmarkt (Billa, Hofer, Lidl, Spar und Merkur) gesammelt und analysiert.
Basierend auf einer Analyse von über 530.000 Google-Bewertungen und 153.000 Kommentaren zu über 2.200 Filialstandorten der größten Lebensmitteleinzelhändler konnte ein umfassendes Bild dazu erarbeitet werden. Im Vergleich der Situation vor (analysiert wurden die Jahre 2017 bis Februar 2020) und während der Corona-Krise (analysiert wurde der Zeitraum ab Februar 2020), ergaben sich so einige interessante Ergebnisse.
Projektleiter Dr. Patrick Brandtner, Professor für Forschung im Bereich Supply Chain Management am FH OÖ Campus Steyr: „Das Verwenden anonymisierter, öffentlich verfügbarer Daten – im konkreten Fall von Google-Daten – ermöglicht komplett neue Einblicke in verschiedenste Bereiche des wirtschaftlichen Lebens. Im aktuellen Fall konnte so ohne das Durchführen von teuren und weitaus weniger repräsentativen Umfragen gezeigt werden, wie sich die Kundenzufriedenheit im Lebensmitteleinzelhandel in der Corona-Zeit verändert hat.“
Kundenzufriedenheit in der Corona-Krise rückläufig
Während in den letzten Jahren eine kontinuierliche Steigerung der Kundenzufriedenheit mit dem Lebensmitteleinzelhandel in Österreich beobachtet werden konnte, kam es im Verlauf der Corona-Krise zu deutlichen Zufriedenheitsrückgängen. Lagen vor der Corona-Krise alle der fünf analysierten Lebensmittelhändler im guten bis sehr guten Bereich, so zeigte sich insbesondere ab dem Beginn des Lockdowns mit März und ab der Verpflichtung des Tragens von Masken mit Anfang April ein deutlicher Einbruch. Insbesondere bei jenen Handelsketten, die den Kund*innen keine Gratis-Masken zur Verfügung stellten, sank die Kundenzufriedenheit deutlich.
„Die Ergebnisse unserer Analyse zeichnen ein klares Bild: Die sehr hohe Kundenzufriedenheit vor der Corona-Krise konnte während der Krise nicht beibehalten werden. Insbesondere jene Handelsketten, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Masken und Desinfektionsmitteln Schwächen zeigten, mussten Einbrüche in der Kundenzufriedenheit hinnehmen“, beschreibt Brandtner die Ergebnisse.
Unverpackte Produkte wie Obst, Gemüse und Backwaren führen zur Unsicherheit
Die Analyse der gesammelten Bewertungen ergab, dass bei unverpackten Produkten die Unsicherheit bei den Kund*innen am höchsten war und diese in den Fokus der Bewertungen rückten. Insbesondere in den frühen Phasen des Ausbruchs war noch wenig über mögliche Infektionsquellen und Verläufe bekannt. Dass Produkte wie Obst, Gemüse und auch Backwaren bzw. Back-Box-Produkte unverpackt und ungeschützt im Geschäft liegen, gleichzeitig aber auch nicht desinfiziert werden können, wurde als zentrale Unsicherheitsquelle bei den Kund*innen genannt. Der Anteil der Kommentare, die sich mit diesen Produktkategorien beschäftigten, war zwar schon vor der Krise hoch, diese waren jedoch weitaus positiver gerichtet als dies zu Zeiten der Krise der Fall war. Wie zu erwarten nahm auch der Anteil negativer Kommentare zu, welche sich um Hygiene-Produkte drehten: insbesondere die mangelnde Verfügbarkeit von Seife und Desinfektionsmitteln wurde hier genannt.
„Auch in Zeiten des Virus muss eingekauft werden – je rascher und einfacher das Erledigen des Einkaufs möglich ist, desto besser. Nicht verfügbare Produkte, lange Wartezeiten und überfordertes Personal, fehlende Masken und Desinfektionsmöglichkeiten sowie zu wenig Platz im Geschäft führten während Corona zu gestiegener Unzufriedenheit der Kund*innen. Insbesondere bei Obst, Gemüse und Backwaren waren die Sorgen groß – sowohl was Verfügbarkeit als auch Qualität und Sicherheit betraf“, fasst Brandter weitere Erkenntnisse zusammen.
Unterschiede zwischen den Bundesländern und Stadt-Land-Gefälle
In sechs von neun Bundesländern konnte ein Rückgang der Kundenzufriedenheit in der Corona-Zeit festgestellt werden, am deutlichsten in Vorarlberg, am schwächsten in Wien. Kleine Rückgänge bis wenig Änderungen der Zufriedenheit wurden in Oberösterreich und Salzburg beobachtet. Lediglich im Burgenland verbesserte sich die Kundenzufriedenheit während Corona und lag höher als vor der Krise.
Interessanterweise konnte über alle Bundesländer hinweg ein direkter Zusammenhang zwischen der Anzahl an Infizierten und der Kundenzufriedenheit nachgewiesen werden. Mit steigender Anzahl der an Covid-19 Erkrankten fiel auch die Kundenzufriedenheit. Sank die Anzahl der Infizierten, so stieg auch die Kundenzufriedenheit wieder in ähnlichem Ausmaß an.
In Oberösterreich wurden insbesondere die drei größten Städte Linz, Wels und Steyr verglichen. Während in Linz beinahe keine Veränderung der Kundenzufriedenheit festgestellt werden konnte, sank die Kundenzufriedenheit in Steyr im Zeitraum März bis Mai um 26,5%. In Wels hingegen konnte sogar eine Zunahme der Kundenzufriedenheit um 19,3% beobachtet werden.
„Während in fast allen Bundesländern die Kundenzufriedenheit mit dem Lebensmitteleinzelhandel zurückging, konnte im Burgenland sogar eine Verbesserung festgestellt werden. Am stärksten war der Rückgang der Kundenzufriedenheit in Vorarlberg – hier fiel der Zufriedenheitsindex während der Krise um 15% nach unten“, fasst Brandtner zusammen. Und weiter: „Besonders interessant sind die Unterscheide zwischen den drei größten Städten Oberösterreichs: In Linz gab es keine Änderung der Kundenzufriedenheit, Steyr rutschte ab und Wels hat in der Krise sogar zugelegt was die Zufriedenheit der Kunden mit dem Lebensmitteleinzelhandel betrifft.“