„All in One“: Initiative will schlummerndes Potenzial in langzeitarbeitslosen jungen Erwachsenen wecken
Sie sind zwischen 18 und 25 Jahre alt, befinden sich weder in Ausbildung oder Trainings noch haben sie einen Arbeitsplatz. Darüber hinaus haben die 15 Teilnehmer*innen im Pilotprojekt „All in One (AiO)“ weiteres gemeinsam: Sie haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Problemlagen. Das derzeitige Projekt basiert auf individueller Betreuung, dafür ziehen gleich mehrere Institutionen an einem Strang. Ihr gemeinsames Ziel: Den jungen Menschen Orientierungshilfe und Kompetenzen mit auf den Weg zu geben, damit diese später im Arbeitsleben Fuß fassen können.
Die Initiative dazu geht vom Arbeitsmarktservice OÖ (AMS) aus, um so genannten NEET-Jugendlichen (Akronym für Not in Education, Employment or Training – nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung) ein für sie maßgeschneidertes Angebot zu bieten. Darum kümmert sich der Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung (FAB), der das ganzheitlich ausgerichtete Programm „All in One“ (AiO) entwickelte.
Zweite oder dritte Chance ergreifen
Für die heterogene Gruppe der NEET-Jugendlichen und Jungerwachsenen wurde in Räumlichkeiten in Linz eine Basis geschaffen, die nach dem One-Stop-Shop-Prinzip agiert: Eine Anlaufstelle, in der ein vierköpfiges, multidisziplinäres Team von FAB auf die individuellen Bedürfnisse der jungen Leute eingeht und dabei Fäden zu einem beratenden oder therapeutischen Netzwerk im Hintergrund ziehen kann. Die Teilnehmenden können die eigenen Stärken und Fähigkeiten aufspüren und sich selbst ausprobieren. Dazu stehen Workshops, kreative Arbeiten und das aktive Werken in einer Holzwerkstatt, in einer Küche oder in einer Nähwerkstatt auf dem Programm. Bis zu 37 Wochenstunden sind dafür für die Teilnehmenden vorgesehen.
Es handelt sich dabei um ein niederschwelliges Angebot, das sich von Seiten des AMS an ausgewählte junge Leute richtet, die mindestens ein halbes Jahr auf Arbeitssuche sind. Das Dabeisein beruht auf Freiwilligkeit, ganz ohne Druck, um die jungen Menschen an einen Arbeitsalltag heranzuführen. „Projekte wie ‚All in One‘ braucht es, um eine zweite oder vielleicht sogar dritte Chance zu ergreifen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es Menschen gibt, die aufgrund ihres bisherigen Lebens viele große Herausforderungen gestellt bekommen haben und einen neuen Lebensweg nicht ohne Unterstützung schaffen können“, betont Iris Schmidt, Geschäftsführerin des AMS OÖ, die Wichtigkeit dieses Projektes.
Perspektive schaffen
Die meisten der jungen Leute haben vielfach vergeblich versucht, sich auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren. Fehlende Qualifikationen, psychische oder physische Erkrankungen, instabile Familienverhältnisse oder erschwerte Bedingungen durch z. B. Migrationshintergrund können dafür Gründe sein. Ziel des Projektes ist, einer Orientierungslosigkeit der jungen Erwachsenen entgegenzuwirken. Gemeinsam wird ausgelotet, wo deren Fähigkeiten und Talente liegen, wohin sie in ihrem Leben wollen und was sie auf dem Weg dorthin benötigen. Oft muss die persönliche Situation erst gefestigt werden, bevor am Erreichen des eigentlichen Ziels gearbeitet werden kann. „In All In One nehmen wir uns für den Beziehungsaufbau genug Zeit. Sie stellt die wertvolle Basis für den Aufbau der notwendigen Stabilität dar, um den weiteren Weg in Richtung Ausbildung oder Beruf zu formen. Partizipation durch das Einbringen eigener Ideen und Projekte erfordert Eigeninitiative und baut zudem Selbstvertrauen auf“, berichtet Sabine Braumandl, Projektleiterin des FAB-Projekts All In One.
Dass es dieses Projekt gibt, ermöglichen die bis Juli 2025 gesicherten Geldmittel aus dem Sozialfonds der Europäischen Union (ESF+), kofinanziert von der Arbeiterkammer OÖ und dem Land Oberösterreich und in Kooperation mit dem AMS OÖ von FAB durchgeführt. Für die wissenschaftliche Aufbereitung läuft die Frist bis Dezember 2026.
„All in One“ wird wissenschaftlich von der Fachhochschule OÖ am Campus Linz begleitet. Das Team rund um FH-Professorin Daniela Wetzelhütter vom Department Soziale Arbeit verantwortet den quantitativen Part, dessen Hauptteil eine Längsschnittstudie ist.
Wetzelhütter: „Anhand der quantitativen Analysen wird u.a. untersucht, inwieweit eine Stabilisierung der Lebenssituation erfolgt ist, Kompetenzen aufgebaut bzw. vertieft wurden, die Selbstwirksamkeit gefördert und schließlich die Integration am Arbeitsmarkt gelungen ist bzw. erfolgreich unterstützt wurde." Hierfür sei auch ein Vergleich mit einer Kontrollgruppe (Personen der Zielgruppe, die das AIO-Angebot nicht beanspruchen) vorgesehen.
Der renommierte Sozialwissenschafter Johann Bacher von der JKU Linz ist ebenfalls beratend an Bord und wird sich unter anderem mit seiner Social Return on-Investment-Studie (SROI-Studie) einbringen, die den gesellschaftlichen Mehrwert des Projektes analysiert. Bei der SROI-Betrachtung werden die positiven Wirkungen den negativen gegenübergestellt und in Beziehung zu den Kosten und Investitionen gesetzt. Damit kann festgestellt werden, welchen Mehrwert eine Investition der öffentlichen Hand von einem Euro für die jungen Menschen selbst, die öffentliche Hand, die Wirtschaft und die Gesellschaft erbringt. „Dabei wird versucht, den Nutzen eines Projekts nicht nur ökonomisch, sondern ganzheitlich zu betrachten, also auch die positiven Wirkungen auf die Gesundheit und das soziale Zusammenleben miteinzubeziehen“, sagt Bacher.
Die wissenschaftliche Begleitung des Projektes findet zudem in Kooperation mit dem Institut für Gesundheitsförderung und Prävention (IfGP) statt, wo die wissenschaftliche Mitarbeiterin, Alice Gröbner, den qualitativen Part übernimmt. Im Zuge dessen werden mehrmals im Projektverlauf Interviews mit den Teilnehmenden, deren Betreuenden und den Projektleitungen geführt. Gröbner: „Im direkten Gespräch werden die Erwartungen der unterschiedlichen Gruppen an das Projekt, im Projektverlauf gewonnene Erfahrungen sowie mögliche Stärken oder Schwächen dieses innovativen Projektansatzes erhoben."