Public Management: "Verwaltungszentrum 5+"
Im Zuge der Lehrveranstaltung "Good Governance" überlegten sich die Studentinnen Bauer, Plakolm und Reisinger, die Verwaltungsgemeinschaften näher zu betrachten.
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- 1936 Zusammenschluss der oberösterreichischen Gemeinden Pitzenberg, Pühret und Rutzenham
- 2005 kam Oberndorf hinzu.
- 2008 wurde das Gemeindeamt wegen Platzmangels neu eröffnet.
- 2021 kam Schlatt hinzu und seitdem existiert die "Verwaltungsgemeinschaft 5+"
Nach einer äußerst positiven Abstimmung mit dem Amtsleiter der Verwaltungsgemeinschaft 5+ war es am 12. April 2023 endlich so weit. Aufgrund der vorher übermittelten Verträge und Insights konnten die Studentinnen bei einem äußerst spannenden Vormittag die Fragen klären, die Ihnen unter den Fingernägeln brannten. Nachstehend lesen Sie das aufschlussreiche Interview dazu. Dafür danken die Studentinnen den Gemeinden Pitzenberg, Pühret, Rutzenham, Oberndorf bei Schwanenstadt und Schlatt sowie dem Präsidenten des Oberösterreichischen Gemeindebundes, LAbg. Bgm. Christian Mader.
PLAKOLM Caroline (Studentin): Sehr geehrter Herr Amtsleiter Wintersteiger, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns Public Management Studierende genommen haben. Zum Einstieg in das Interview, würde es uns freuen, wenn sie sich in einigen kurzen Worten selbst vorstellen?
WINTERSTEIGER (Amtsleiter): Mein Name ist Markus Wintersteiger und ich bin Amtsleiter der Verwaltungsgemeinschaft 5+. Ich habe gemeinsam mit „Franzi“ [Prof. Franziska Cecon] die HAK in Gmunden besucht und im Jahr 1995 maturiert. Gestartet hat mein Berufleben beim Linsinger Maschinenbau in der Finanzabteilung. Da es die Möglichkeit gab, vier bis fünf Monate in Australien zu verbringen habe ich diese Chance ergriffen. Wieder zurück in Österreich bin ich bei einer Gemeinde als Schreibkraft eingestiegen. Nach knappen zwei Jahren bin ich nach Attnang gewechselt und war bis 2008 in der Finanzabteilung tätig. Als der Amtsleiterposten in Schlatt freiwurde, habe ich mich beworben und bin seitdem Amtsleiter. Ein Vorteil für die Arbeit als Amtsleiter sind die Weiterbildungsmöglichkeiten und gute Vernetzung der Gemeinden untereinander.
P: Bitte stellen Sie das Verwaltungszentrum 5+ mit Zahlen, Daten, Fakten zu Personal, Finanzen, organisatorischer Aufbau … vor.
W: Die drei Gemeinden Pitzenberg, Pühret und Rutzenham waren immer schon verbunden und als die Pensionierung eines Amtsleiters angestanden ist, sind die Gespräche zur Verwaltungszentrum 5+ richtig in Gang gekommen. Mit 01.01.2021 wurde die Zusammenlegung mit Schlatt wirksam. Die drei Gemeinden Pitzenberg, Pühret und Rutzenham waren immer zusammen.
P: Welche Ziele, Aufgaben, Leistungen hat die Organisation?
W: Das Verwaltungszentrum 5+ betrifft nur die Verwaltung der fünf Gemeinden. Die neue Idee einen gemeinsamen Kindergarten für 8 Gemeinden zu errichten ist in Entstehung. Es würde sich dabei um einen zusätzlichen Kindergarten für die 8 Gemeinden handeln. Dazu benötigt es wieder einen eigenen Vertrag.
Errichtung und Betriebskosten werden durch aufgeteilte Kostenbeiträge vertraglich geregelt. Die Gemeinden zahlen wieder Gastbeitrag an die Gemeinde Oberndorf. Rechtsträger wird die Caritas, wofür wieder ein eigener Vertrag benötigt wird.
Herausforderungen sind die Aufteilung der Gemeinderatsitzungen und die Fixierung eines Jahresplanes. Die GR-Sitzungen werden von Amtsleiter und Amtsleiter Stellvertreterin abgewickelt. Jede Gemeinde hat ihre eigenen Sitzungen, Ausschüsse und Entscheidungen.
Da das Verwaltungszentrum 5+ keine eigene Rechtspersönlichkeit ist, gestaltet sich die Ausschreibung etwas schwieriger. Jede Gemeinde hat Abteilungen zugeordnet. Die verantwortliche Gemeinde schreibt die betreffende Stelle aus. Die Mitarbeiter*innen sind direkt bei der Gemeinde eingestellt, jedoch tragen die Kosten wieder alle.
Ziel von Schlatt und dem Verwaltungszentrum war nicht die Einsparung von Geldern. Ziel war, dass Ausfälle von Mitarbeiter*innen verhindert werden. Weil es damals keine Vertretungsregelungen gegeben hat, war die Gefahr dass andere Mitarbeiter*innen durch die zusätzliche Vertretung ausbrennen.
Wenn ich (Markus Wintersteiger) auf Urlaub gegegangen bin, musste ich vorher vieles aufarbeiten und bei Urlaubsrückkehr wieder vieles Nacharbeiten. Durch das Verwaltungszentrum 5+ ist es besser geworden.
P: Wie funktioniert die Kommunikation zwischen politisch Verantwortungsträgern und der Mitarbeiter*innen des Verwaltungszentrum? Wer ist wem wie verantwortlich/verbunden/abhängig?
W: Einmal in der Woche gibt es eine Besprechung mit allen 5 Bürgermeistern, dem Amtsleiter und der Amtsleiter Stellvertreterin. Es gibt immer viel zu diskutieren, weil viele Meinungen sich gemeinsam treffen.
Einmal im Monat findet auch ein großes Mitarbeitergespräch statt. Früher war es nicht notwendig, da alle näher beieinander waren.
Durch mehr Personal aufgrund der Verwaltungsgemeinschaft können sich die Mitarbeiter*innen mehr auf ihre Stärken konzentrieren und sich in seinem Bereich spezialisieren. Es gibt jetzt auch Gleitzeit. Durch eine Zeitaufzeichnungssoftware war ein Gleitzeitmodell mit dem Verwaltungszentrum Plus möglich, da die Kosten vertretbar sind. Derzeit haben wir € 75.000 IT-Kosten p.a.
BAUER Nelly (Studentin): An wem ist das Verwaltungszentrum Informations- und Berichtspflichtig?
W: Das Verwaltungszentrum 5plus ist niemanden informations- oder berichtspflichtig, es ist keine Rechtspersönlichkeit und Berichtspflicht gibt es keine. Alle 5 Gemeinden haben eine eigene Amtstafel, diese sind in dem Gebäude des Verwaltungszentrums ersichtlich, zusätzlich werden die Bürger*innen auch über die Homepage und die Gem2Go App informiert. Es wird gerade an einer gemeinsamen Homepage von allen 5 Gemeinden gearbeitet.
B: Welche Kontrollmechanismen gibt es? Wer ist verantwortlich dafür?
W: In den Gemeinden gibt es jeweils einen Prüfungsausschuss, der die Kostenprüfung für die Verwaltung übernimmt.
REISINGER Annalena (Studentin): Wer darf auf welche Arten von Daten zugreifen? Wie werden mit Daten umgegangen? (bzgl. Data-Governance)
W: Der Datenzugriff wird im Verwaltungszentrum 5 plus streng reglementiert, es ist klar reguliert, wer auf welche Daten zugreifen kann. Der Explorer ist nach Zuständigkeiten programmiert und gibt nicht allen Mitarbeiter*innen die gleichen Daten preis. So kann etwa ein Mitarbeiter Leserechte im Finanzprogramm haben, jedoch keine Berechtigung, um Buchungen vornehmen zu können. Datenschutzbeauftragter ist im Verwaltungszentrum die Gemdat, diese hält vor Ort Schulungen zum Thema ab.
R: Wie wird IT-Governance in Ihrer Organisation gelebt?
W: Das Verwaltungszentrum 5 plus hat das Ziel, mehr Amtswege elektronisch durchführen zu können. Die jüngere Generation sieht dies als praktisches Tool, viele Bürger*innen kommen jedoch nach wie vor in das Verwaltungszentrum, um etwa gelbe Säcke abzuholen oder einen Hund anzumelden. Auch Baubewilligungen werden mit einem Termin vor Ort abgewickelt.
Während es bei der jährlichen Meldung des Wasserzählerstandes eine digitale Möglichkeit über die Homepage des Verwaltungszentrums gibt, teilt die Mehrheit der Bürger*innen viele ihrer Anliegen dem Verwaltungszentrum per E-Mail mit.
In Zukunft sollten elektronische Services ausgebaut werden, die sicherlich auch hilfreich und eine Unterstützung sind. Wobei der persönliche Kontakt, etwa bei einer Anmeldung im Ort mit Willkommensmappe durch den Onlineservice wegfallen würde.
R: Was möchten Sie uns noch mitteilen, dass aus Ihrer Sicht wichtig für Public Management Studierende ist?
W: Der öffentliche Dienst ist besser als sein Ruf und die Gestaltungsmöglichkeiten sind da. Es braucht ein modernes Denken, damit Entscheidungswege kürzer werden, neue Inputs kommen und die Vielfalt, welcher der öffentliche Dienst mitbringt, sichtbar werden.
Es ist eine Arbeit für die Gemeinschaft und „nicht für den Geschäftsführer, der sich den dritten Porsche“ kauft, sondern für viele Menschen. Aber man darf sich nicht entmutigen lassen, es müssen viele Steine aus dem Weg geräumt werden, doch es zahlt sich aus.
Auf der anderen Seite hemmen viele Gesetze und Regularien die Weiterentwicklung, trotzdem muss man sich etwas trauen, die Handlungen der Verwaltung für die Bürger*innen verständlich machen. Ihnen zeigen, welche positive Dinge in der Verwaltung gelingen und welche Prozesse im Hintergrund für ein reibungsloses Zusammenleben getätigt werden.
Besonders wichtig ist es als Mitarbeiter*in im öffentlichen Dienst, nicht auf die 5 Prozent der Menschen hören, die sich beschweren, sondern sich über die 95 Prozent freuen, die mit der Arbeit zufrieden sind.
Studentische Autorinnen dieses Beitrages: Nelly Bauer, Annalena Reisinger, Caroline Plakolm
(PUMA, Jg. 2021, im Rahmen der Lehrveranstaltung Good Governance im 6. Semester)